Nur noch bis zum 1.9. ist in Düsseldorf in der Kunstsammlung NRW die Ausstellung „Ai Weiwei“ zu sehen. Mittlerweile gibt es lange Schlangen von Menschen, die die Ausstellung unbedingt sehen wollen. Ich war schon vor einiger Zeit dort und unter der Woche. Da war vergleichsweise wenig los. Es ist eine Ausstellung, zu der ich nicht sofort eine fertige Meinung hatte. Ich habe bei E&U Gespräch in den prima Podcast reingehört, in dem viel gesagt wurde, was ich auch dachte. Aber es dauert immer noch. Es arbeitet in mir. Und natürlich fehlt mir auch die Zeit, mich komplett in das Phänomen Ai Weiwei einzudenken. Deswegen habe ich eine etwas unkonventionelle Form gewählt und mich mit meiner lieben Kollegin und Freundin Karin Rottmann auf WhatsApp über die Ausstellung ausgetauscht. Wir waren zusammen dort, hatten eine kurze Einführung mit dem Kollegen Peter Schüller (vielen Dank an dieser Stelle für deine Zeit) und haben sogar noch ein paar spontane kreative Schreibübungen vor Ort gemacht. All das schnüre ich nun zu diesem Blogbeitrag zusammen. Das allmähliche Verfestigen der Gedanken beim Schreiben – ein Versuch ist es wert!!
„Ich habe ganz ambivalente Gefühle, wenn ich an die Ausstellung denke. Teilweise hat es mich schon berührt. Zum Beispiel, als ich vor den kleinen Kinderstramplern stand. Bei der Installation mit den Klamotten der Geflüchteten. An anderer Stelle fand ich die Inszenierung aber nicht überzeugend. Bei diesem Bambus-Schiff, war ich komplett raus. Was ist dir denn besonders in Erinnerung geblieben?“
Karin
„Ja, es gab viele Exponate, die mich nicht überzeugten. Das Bambus-Schiff gehört dazu. Ich denke zwar, dass er eine Reihe traditioneller Techniken aufgreift, die zur chinesischen Kultur gehören. Flecht-Techniken, wie wir sie in diesem Schiff gesehen haben, gehören dazu, aber auch die Sonnenblumensamen aus Porzellan. Porzellan, welches Geheimnis einmal damit verbunden war! 6 Millionen Samen, alle von Hand hergestellt und in Trompe-l’œil-Technik bemalt.
Wir haben eine Weile darüber diskutiert, wie dieses gewaltige Feld aus 6 Millionen Porzellankernen gedeutet werden soll. Meine spontane Empfindung und Assoziation passen eigentlich nicht in das Themen-Repertoire des Künstlers. Ich sah mich mit einem riesigen Feld von Steinchen konfrontiert und spürte fast körperlich, dass ein Gehen darüber Kraft saugt. Beim näheren Hinsehen realisierte ich die Sonnenblumenkerne, kleine Kostbarkeiten des Handwerks. Aber gleichzeitig empfand ich große Trauer darüber, dass aus den wie echte Samen ausschauenden Sonnenblumenkernen niemals etwas Lebendiges entstehen kann. Das sind unfruchtbare Imitate – Fakes. Natürlich entstehen bei diesem Gedanken erneut politische, historische und soziale Kontexte. „
Anke
„Es ist doch auch legitim, wenn man Kunst weiterdenken will, oder? Ist es vielleicht das, was mich bei der Rezeption von Ai Weiweis Arbeiten ein bisschen zweifeln lässt? Sie scheinen so festgelegt. Es sind ganz konkrete Zuschreibungen, die die Arbeiten auf eine gewisse Weise abschließen. Es ist die eine Situation, in eine künstlerische Geste überführt. Und die Geste ist immer sehr groß!!!! Es ist der Kommentar des Künstlers dazu. Darin steckt wenig Angebot für den Betrachter. Man ist irgendwie immer der Voyeur. Auf der anderen Seite werden Emotionen angeregt. Doch man verharrt irgendwie in der Betrachtung. Jetzt kann man natürlich sagen, dass es genau das ist, was der Künstler will. Man soll sich gefangen fühlen. Auch überfordert. Wenn man dann in der Ausstellung von einem dramatischen Ereignis zum nächsten geschickt wird, kommt man irgendwann nicht mehr mit. Und dann ist der Künstler ja auch schon wieder zu einer neuen Rettungsaktion unterwegs oder hat ein nächstes Thema aufgetan (Deutschland verlassen). Ich bleibe dann irgendwo auf der Strecke hängen.“
Karin
„Wenn ich ehrlich bin, finde ich viele Projekte gewollt und angestrengt. Das Korb-Schiff mit seiner heterogenen Besatzung gehört dazu. Die gesammelten Kleider hat man auch schon von anderen Kunstschaffenden gesehen. Die Konzepte von Ai Weiwei haben unterschiedliche Qualität. Aber sicher bin ich mir bei der Aussage nicht. Wir haben auch darüber gesprochen, dass die Präsentation in K21 problematisch ist. Die Objekte stehen viel zu eng. Ich möchte sagen, sie erschlagen sich gegenseitig.“
Anke
„Was ich ja gar nicht gelungen fand, waren diese Tierkreiszeichen aus Lego. Sowas finde ich als Street-art toll. Aber im Rahmen der Ausstellung fand ich es flach. Im Begleitheft wird darauf verwiesen, dass es auch um das Nachdenken über die politischen oder persönlichen Dimensionen geht. Und man quasi vom einen zum anderen switcht. Wie in der Makrostruktur des Tierkreiszeichens und der Binnenstruktur der kleinen Legosteinchen.“ Gut, mit zusätzlicher Interpretationshilfe geht es …“
Ein Wort für den Ort
Ich schrieb „Emotion“. Karin reflektierte darüber so:
„Ai Weiweis Arbeiten gehen unter die Haut und lösen Emotion aus.
Ein kleiner Sonnenblumensamen – kostbar und doch unfruchtbar.
Die Eisenstangen aus dem vom Erdbeben zerstörten Schulgebäude erinnern an Kinderleichen.
Das Meer der Sonnenblumensamen erscheint als Grabplatte. Die Eisenstangen liegen in Kisten, die überdimensionale Särge sein könnten.
Ein Elfchen
Groß
überdimensioniert minimal
auf imaginärem Humus
verschmelzen alte neue Ideen
ortsgebunden
Schnelle Assoziationsrunde beim Durchlaufen der Ausstellung im K21
will auf den Arm – wir sitzen alle in einem Boot – Odyssee – wasche meine Hände in Unschuld – Marmor erhebt – Fries macht bedeutsam – Fuck off Mona Lisa – was scheren mich meine Worte von gestern – mittendrin – zu nah dran und doch so fern – gefährlicher Voyeur – kaputt – Wächter – Aufseher – Museum – dein Schicksal fühle ich (nicht) – Verblendung – Goldesel
So, das war ein kurzes Potpourri zur Ai Weiwei Ausstellung, die noch bis zum 1.9. in Düsseldorf zu sehen ist. Pro-tipp: Geht morgen, übermorgen oder am Donnerstag hin! #ausgründen
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