Ungerm Stätz. Der König, die Kölner und das Pferd.

Wir greifen heute mal den Beitrag von Anna-Lisa auf, die ja in der letzten Woche über das Denkmal Kaiser Wilhelms I. in Bonn berichtete. Sein Vater war Friedrich Wilhelm III. und von ihm finden wir ein imposantes Reiterstandbild auf dem Heumarkt in Köln. Reiterstandbilder gibt es eigentlich schon fast inflationär in jeder größeren Stadt. Hoch auf einem architektonischen Sockel aufgerichtet sehen Herrscher, Fürsten und Feldherrn meist mit Entschlossenheit in die Ferne. Ganz klar, dass diese Art der Darstellung auch und vor allem einen propagandistischen Hintergrund hatte. Weit hin sichtbar wurde Macht demonstriert. Und man bezog sich dabei gerne auf die antiken Vorbilder wie zum Beispiel  auf das legendäre Reiterstandbild des Marc Aurel. Und so mag wohl so mancher braver Bürger eingeschüchtert im Schatten der großen Weltenlenker durch die Gassen geschlichen sein. Nicht so in Köln!

Ungerm Stätz verabredeten sich die Liebespaare. Was soviel heißt, wie dass unter dem breiten Pferdehintern zum Stelldichein gebeten wurde. Das war im alten Köln teilweise so verbindlich, dass es schon fast als Eheversprechen galt, wenn man sich da traf! Funktioniert heute übrigens immer noch! Auch ich habe mich mit meinem Liebsten dort zum ersten Date getroffen und nun sind wir schon viele Jahre glücklich verheiratet! Aber ich schweife ab! Es geht ja um das Reiterstandbild des Preußenkönigs, welches auf dem Heumarkt im Jahre 1878 errichtet worden war. Da war der Preußenkönig zwar schon 38 Jahre tot, aber es war aus politischen Gründen geboten, daran zu erinnern, dass Köln 1815 preußisch geworden war. Der deutsche Nationalstaat war das Thema jener Jahre. Ein paar Ecken weiter war man ja auch fleißig damit beschäftigt, den gotischen Dom zu Ende zu bauen. Den Kölnern schmeckte das mit der Preußenherrschaft nicht so wirklich – irgendwie hatten sie sich mit den Franzosen eher anfreunden können. So von der Lebensart her. Egal. Jetzt liefen die Uhren anders! Das Dingen wurde auf dem Platz errichtet und die Kölner murmelten ihre Spöttereien in den Bart hinein.

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© Raimond Spekking / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)

Der ursprünglich für den Auftrag gewonnene Düsseldorfer (!) Künstler Gustav Blaeser weilte 1878 auch schon nicht mehr unter den Lebenden. Kollegen vollendeten das Werk und man munkelt, dass die Kölner damals in der Auswahl der begleitenden wichtigen Geistesgrößen viele Kritiker des Königs sehen wollten. Um den Sockel des Denkmals findet man Persönlichkeiten wie Gerhart Leberecht von Blücher, Ludwig York von Wartenburg, Scharnhorst, Gneisenau, Hardenberg, Stein, Humboldt und Ernst Moritz Arndt – insgesamt sind es 16 überlebensgroße Figuren.

Der zweite Weltkrieg spielte den Kölnern in die Hand. Dem Bombenhagel, der auf Köln niederprasselte, konnte selbst der preußische Herrscher in Bronze nicht Stand halten und so fanden sich am Ende des Krieges nur noch umherliegende Einzelteile des Denkmals auf dem Heumarkt. Die Sockelfiguren hatte man hastig in verschiedene Depots verteilt und eine Zeit lang lag der Stätz mit seinem in die Höhe ragenden Pferdeschweif mitten auf dem Platz. Das muss ein herrlicher Anblick gewesen sein. Die allgemeine Beschaffungs-Fledderei in den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren tat ihr Übriges und so war dann irgendwann nichts mehr von der preußischen Herrlichkeit zu sehen. Wahrscheinlich muss man heute wieder Angst haben, dass das wertvolle Metall den skrupellosen Langfingern zum Opfer fällt, die schon die Bahnstrecken in den letzten Wochen lahmlegten.

Denn es steht ja wieder das Reiterstandbild. Und wird mit viel Engagement einer Denkmalschutz-Initiative aufgebaut und rekonstruiert. Die Sockelfiguren wurden mühsam zusammengeklaubt. Man wusste zum Teil gar nicht mehr, wo die überall hingekommen waren. Eine war sogar einmal Heinrich Böll zu einem runden Geburtstag angeboten worden. Der wollte sie aber nicht und schenkte sie an eine Schule oder ähnliche Einrichtung. Es vergingen Jahre, als sich ein Künstler in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einen Scherz erlaubte und das Reiterstandbild aus Styropor nachgebaut wieder an seinem angestammten Platz aufstellte. Herbert Labusga wollte eigentlich mit dieser Aktion 1985 nur ein Zeichen setzen. Doch eins führte zum anderen. Wiederum ein Düsseldorfer Künstler erhielt den Auftrag zum Neu-Guss des reitenden Königs, welcher endlich 1990 feierlich den Rhein hinaufschipperte und an seinen ursprünglichen Bestimmungsort zurückkehrte. Bis heute sind die Restaurierungsmaßnahmen nicht abgeschlossen. Böse Zungen behaupten ja, das sei wiederum pure Absicht der renitenten Kölner! Egal, man kann sich jedenfalls wieder ungerm Stätz verabreden! Und das ist es doch, was zählt!! Als Startpunkt in einen lauschigen Sommerabend am Rheinufer ist das auf jeden Fall sehr zu empfehlen!

 

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