Über Pfingsten hat es sich ergeben, dass ich aus Anlass eines Familientreffens nach Polen in die Region reiste, die als Westpommern bekannt ist. Eigentlich war es ein bisschen gewagt, ausgerechnet am verkehrsreichsten Wochenende mit dem Auto anzureisen. Aber auf diese Weise erhält man doch ein ganz anderes Gefühl für die geografische Lage einer Region. Wir waren nach den langen Wintermonaten eigentlich schon nichts Gutes mehr gewöhnt und so trafen wir regelrecht ausgehungert auf eine üppige Landschaft mit ausgedehnten Wäldern und blühenden Feldern, die sich über sanfte Hügel hin ergossen. Ein Gebiet, das durchzogen ist von kleinen Seen und malerischen Flüssen wie z.B. der Rega.
Unser Quartier, Schloss Ribbekardt, erreichten wir im Dunkeln – und nachdem das Navi uns über einen Waldweg von hinten durch unwegsames Gelände geleitet hatte. Also: aufgepasst und nicht immer dem Navigationstool glauben! In dem ehemaligen preußischen Herrenhaus ist heute ein sympathisches Hotel eingerichtet. Der romantisierende neo-gotische Stil erstrahlt nach umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen in neuem Glanz. Das wunderschön an einem kleinen See gelegene Haus befindet sich ca. 30 km von der Ostsee entfernt und hat einfache aber liebevoll eingerichtete Zimmer. Unser Aufenthalt wurde gekrönt durch einen Blick vom Turm (auch dort gibt es zwei ganz entzückende Zimmer) weit über die Landschaft. Dabei konnten wir auch noch einen Seitenblick auf das Storchenpaar riskieren, das unbeirrt auf dem noch aktiven Schornstein nistet. Es sind solche Kleinigkeiten, die unseren Kurztrip zu einem besonderen Erlebnis machten.
Im 19. Jahrhundert favorisierte man den Stil „unseres“ Schlosses gerne als Vorstellung eines Nationalstils, der die Verbindung zum Rittertum des Mittelalters deutlich machen sollte. Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der ritterschaftlichen Grundbesitzer in der preußischen Monarchie nebst den Königlichen Familien-, Haus-Fideicommiss- und Schatull-Gütern in naturgetreuen, künstlerisch ausgeführten, farbigen Darstellungen nebst begleitendem Text – der Verleger Alexander Duncker brachte insgesamt fast 1000 Lithographien heraus, die den ehemaligen Glanz solcher Architekturschätze zeigen. Und wir können bestätigen: es gibt auch heute nichts Schöneres, als zur Abenddämmerung mit einem Glas Wein am Steg an eben jenem kleinen schlosseigenen See den Tag ausklingen zu lassen.
Dass der Umgang mit geschichtsträchtiger Architektur auch leider ganz anders ausfallen kann, mussten wir bei einem Besuch des ehemaligen Gutes Kniephof erleben. Das Schloss, in welchem Otto von Bismarck seine frühe Jugend verbrachte, ist heute nur noch ein Schatten seiner ehemaligen Größe. Wie es dort so allen Baumschmucks beraubt und mit zugemauerten Fensteröffnungen inmitten der kleinen Dorfgemeinde auf zugewuchertem Grund steht. Das macht jedem Betrachter mit ein bisschen Geschichtsbewusstsein deutlich, welche zum Teil auch traumatischen Veränderungen diese Landschaft erlebt hat. Schade, dass fruchtbarere Versuche, die alten Herrenhäuser sinnvoll zu nutzen, nicht immer erfolgreich verlaufen.
Es gibt noch weitere Gutshöfe und Schlösser in Westpommern zu entdecken und eine Radtour durch die saftige Landschaft hätte uns schon gereizt. Wir werden also noch einmal einen längeren Aufenthalt planen müssen! Eine kurze Kanutour auf der Rega war hingegen in unserem Pfingstprogramm enthalten! Und natürlich haben wir uns einen Abstecher an die Ostseeküste nicht nehmen lassen. Pommern – der Name stammt vom slawischen po more ab, was am Meer heißt und auf rund 185 Kilometer Küste gibt es zahlreiche wunderschöne Ecken. Wir entscheiden uns für einen Ausflug nach Rewal, einem ehemaligen Fischerdorf, welches mit recht neuer Tourismus-Struktur daherkommt. Dort erlebt man eine weite baltische See und die Faszination einer Steilküste mit langgezogenem Sandstrand. Luft und Wasser dieser Region sind unglaublich rein und es war eine wahre Freude, gaaaaanz tief durchzuatmen. Auch hier lohnt sich das Wiederkommen!! Wir sind dann noch zu eine sehr kuriosen Kirchenruine gewandert, welche einst zwei Kilometer vom Meer entfernt im 15. Jahrhundert erbaut wurde. Heute steht sie direkt am Steilufer und es ist lediglich eine einzige Mauer dieses Backsteinkleinods übrig geblieben. Einst wanderte der Maler Lyonel Feininger im Jahre 1928 von seinem damaligen Aufenthaltsort Deep dorthin und war bass erstaunt: Allmählich, so wie wir uns näherten, enthüllten Öffnungen Stützpfeiler, und schließlich kam eine Reihe wunderbar gestalteter, bogenförmiger Fensteröffnungen im gotischen Stil ins Blickfeld. Es erschien alles ganz großartig und voller Zauber.
Westpommern und die Ostseeküste werden uns auf jeden Fall bald wieder sehen. Die Anreise kann man ja wunderbar mit einen Stopp in Berlin unterbrechen und auf der Rückfahrt noch den Schlenker über Rügen machen. Auch so ein Ziel, das noch auf der Liste der Sehnsuchtsorte steht. Aber nun geht es für die nächste Woche erst einmal in den Süden. Korsika erwartet uns! Darüber werden wir dann auch ganz bald berichten!
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