Schule von Nancy


Beitragsbild entstammt der Sammlung vom Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg.
Entwurf: Ernest Bussière (1863–1913, Modelleur/in) um 1898/99, Ausführung: Daum Frères (Hersteller/in (Firma/Fabrikant/Manufaktur))um 1898/99, Nancy

Die Alliance Provinciale des Industries d’Art wurde 1901 gegründet und ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr sich die Kunsthandwerker um die Jahrhundertwende auch der ökonomischen Seite ihrer Kunst annahmen. Nach dem Erfolg, der den Kunsthandwerkern aus Lothringen auf der Weltausstellung 1900 in Paris beschieden war, war die Gründung einer Vereinigung eigentlich nur noch eine Formsache. Die Förderung des Kunsthandwerkes und vor allem die Geschmacksbildung des Volkes standen ganz oben auf der Agenda der Schule von Nancy. Mit ihrer engen Verbindung von Kunst und industrieller Fertigung verdrängte die Hauptstadt Lothringens sogar Paris vom ersten Platz im Bereich der Arts décoratifs.

Die Schule von Nancy

Die Brüder Daum führten eine Glasmanufaktur, die neben dem herausragenden Glaskünstler Emile Gallé durchaus bestehen konnte, ihn in manchem sogar übertraf. Der Gründer der Manufaktur, Jean Daum, war eher zufällig zur Glasherstellung gekommen. Als Notar hatte er einer Glasmanufaktur Geld geliehen und musste diese schlussendlich selbst übernehmen, da sie wirtschaftlich nicht mehr auf die Füße kam. Seine Söhne Jean-Antonin und Jean-Louis Auguste entwickelten den maroden Betrieb zu einem erfolgreichen Unternehmen, das auch heute noch existiert und vor allem auf dem Gebiet der Serienproduktion neue Maßstäbe setzen konnte. Die Zusammenarbeit mit hochtalentierten Entwerfern wie Henri Bergé – zeitweise gehörten auch Louis Majorelle oder der Meister der Glaspaste, Almaric Walter, zu den Gestaltern – bescherte den Objekten der Daum-Brüder eine beachtliche Eleganz auch in der Massenproduktion. Dabei setzten sie ganz auf raffinierte Variationen der Glasoberfläche, die sie mit monochromen Ätzungen und Glaspulvereinschlüssen gestalteten. Ihre besondere Spezialität waren Entwürfe für elektrische Lampen – die neue technische Errungenschaft des elektrischen Lichts schien für Ideen in Glas und damit für das Kunsthandwerk geradezu geschaffen zu sein. Wie die Kreationen von Gallé zeichneten sich auch die Daum-Gläser durch eine schier unerschöpfliche Menge an Naturmotiven aus. Hierin waren sich alle  lothringischen Kunsthandwerker, die einer jahrhundertelangen Tradition naturnahen Gestaltens folgten, einig. Diese Tradition auch an den künstlerischen Nachwuchs weiterzugeben, war das Bestreben der Schule von Nancy. Emile Gallé betonte die Notwendigkeit eines eigenen Museums, das dieses unterstützen sollte.

„Die Ecole de Nancy wartet nur auf die entsprechenden Mittel, um in Nancy ihr eigenes Museum zu gründen, das von ihrem Schaffen zeugen und der Bildung der Kunsthandwerker wie des Publikums dienen soll – eine Sammlung zur Archivierung ihrer Meisterwerke und Modelle, zur Erhaltung ihrer Tradition.“

Daum-Vase, Disteln, Jugendstilforum Bad Nauheim

Das Motto der Schule von Nancy war „art dans tout“ und „art pour tout“, eine Kunst also, die alle Lebensbereiche durchdringen und jedem offen stehen sollte. Dies zeigte sich auch im Erfolg eines Autodidakten wie Eugène Vallin, der aus der Werkstatt seines Onkels heraus, der Kirchenmobiliar herstellte, eine selbstbewusste Entwicklung durchmachte und mit seinem Konzept von Kurven und Gegenkurven erstaunlich gut ankam. Er gestaltete das Tor für die neue Gallé-Manufaktur. Aber auch etablierte Künstler wie Louis Majorelle, der schon in jungen Jahren die alteingesessene Manufaktur seines Vaters übernommen hatte, entwickelten sich in der kreativen Atmosphäre der Zusammenschlüsse von Werkstätten und Entwerfern. Majorelle befreite sich zunehmend vom Style Majorelle, den schon sein Vater geprägt hatte, und entwickelte eine besondere Meisterschaft in der Verbindung von Möbelstücken mit künstlerisch ausgearbeiteten Metall-Beschlägen. So schuf er kunsthandwerkliche Gebilde, die gleichzeitig seine Wende hin zu interessanten eigenständigen Schmiedearbeiten markierten.

Daum Freres Nancy u. Majorelle Deckenlampe, Jugendstilforum Bad Nauheim

Eine derartige Blüte, wie sie das Kunsthandwerk durch den Zusammenschluss der  Künstler erfuhr, wäre allerdings ohne eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung nicht möglich gewesen. Diese wurde getragen von einer jungen und wohlhabenden Gesellschaft, die sich nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/1871 in Nancy angesiedelt hatte. Ihre Nachfrage erlaubte den kunsthandwerklichen Objekten hohe Auflagen und führte den beispiellosen Aufschwung herbei, der Nancy für einige Jahre zum wichtigsten Zentrum des französischen Kunsthandwerks werden ließ.

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