Auf seinem Blog hat Axel Kopp da ein paar wichtige Fragen gestellt. Er sieht Diskussionsbedarf und seine Gedanken drehen sich um Flüchtlingsströme, die Migration und die Kunstszene außerhalb der westlichen Welt. Das alles ist ein ganz schön weites und komplexes Feld. Darauf fertige Antworten zu geben? Nicht einfach, aber das wird er auch nicht erwartet haben. Der Diskurs ist angestoßen und ich möchte gerne aus meiner Erfahrung weitere Gedanken beisteuern. Es geht dabei auch um die Kulturinstitutionen und deren Aufgaben in Zeiten, da gesamtgesellschaftlich gesehen eine Menge in Bewegung geraten ist.
Die Menschen
Flüchtlinge, Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund. Alle sind mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen unterwegs. Welchen Stellenwert hat da die Kultur? Für Flüchtlinge geht es meist um ganz existentielle Fragen, nachdem sie mal irgendwo angekommen sind. Wie zum Beispiel die, wo man schnell Deutsch lernen kann. Ich finde ja, dass man das auch wunderbar im Museum tun kann. Wenn es die entsprechenden Programme und Methoden dazu gibt. Die Kunstbetrachtung beispielsweise, bietet jede Menge gute Sprechanlässe. Und wenn es nur darum ginge, gewisse Vokabeln einzuüben, ist das ein prima Einstieg. Daneben lernen die Flüchtlinge das Museum auch als Ort der Begegnung kennen.
Perspektivisch hat man es irgendwann mit Menschen zu tun, deren Flucht länger zurückliegt und die sich beginnen in ihrem neuen Leben einzurichten. Die Kinder werden meist über die Schulen oder Jugendeinrichtungen in Projekten Berührung mit dem Museum haben. Ich habe gerade in den Osterferien mit einer Gruppe solcher Kids ein schönes Projekt erarbeitet, bei dem sie besondere Begegnungen mit der Kunst im Museum Ludwig hatten. Als die jüngste Teilnehmerin zwischendrin mit großen Augen zu mir hochblickte und ernst sagte: „Das Museum ist nur für Reiche, oder“, da musste ich schon ein bisschen schlucken. Möglicherweise kam sie auf diese Idee, weil ich nicht müde wurde, den Kids zu erklären, warum sie unter keinen Umständen etwas anfassen dürfen. Aber wie dem auch sei: ich sehe es als eine ganz wichtige Aufgabe an, diesen Kindern zu vermitteln: das Museum ist auch ein Ort für euch!!
Schwieriger wird es für Erwachsene. Also, überhaupt in Kontakt mit der Kultur zu kommen. Dabei halte ich das für genauso wichtig. Dafür müssen dann nur die Strukturen geschaffen werden. Und ja: immer wieder ist auch die Frage des Geldes entscheidend. Hier in Frechen habe ich mich hin und wieder ehrenamtlich engagiert. Leider war ich zeitlich sehr begrenzt. Und dann wird es schwierig, wenn nicht schon eine Gruppe besteht, mit der man dann – sagen wir mal – einmal pro Woche ein Treffen vereinbart.
Es stellte sich heraus, dass die Zielgruppe „junge Männer“ großen Bedarf an Freizeitgestaltungsideen hatte. (Familien, Kinder sind irgendwie gut abgedeckt mit Betreuungsangeboten). Ich entwickelte die Idee, einen gemeinsamen Stadtführer zu gestalten, Fotowalks zu unternehmen und so kreativ tätig zu werden. Aber dafür interessierte sich genau 1 junger Mann und die Sache schlief wieder ein. Fußballspielen schien insgesamt das bessere Angebot zu sein. Gut, muss man auch akzeptieren, dass Kultur auch nicht für alle an erster Stelle kommt.
Bei der Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund können wir sicher noch einmal eine komplett neue Perspektive aufsetzen. Da steht dann auch die Frage der Generation im Raume. 1., 2. oder gar 3. Generation? Jede bringt eine Menge neuer Schichten mit sich. Von der Sprachkompetenz bis hin zum generellen kulturellen Hintergrund. Ihr seht, es wird immer komplexer. Es gilt auch hier, Themen zu identifizieren, welche die Lebenswelt der Teilnehmer berühren.
Die Kunst
Dies wiederum ist ein neues Feld, das auch entsprechend noch einmal neu bedacht werden muss. Aber nicht minder spannend. Ich erinnere mich an die Ausstellung „Kunstwelten im Dialog“ 1999 im Museum Ludwig, die sich ganz bewusst den außereuropäischen Positionen gegenüber geöffnet hat. Ich habe damals dort als Kunstvermittlerin gearbeitet und musste mich auch völlig neu einarbeiten. Denn es ist sicher Fakt, dass man die Kunstgeschichte bisher meist aus der Richtung des westlichen Kulturraums betrachtet hat.
Auf der Seite des Museums steht übrigens aktuell dieses Statement: „Weniger bekannt und auch nicht in diesem Umfang im Haus vertreten, aber dennoch für das Profil des Museum Ludwig wichtig, sind die Arbeiten von Künstlern aus Afrika, Asien und Lateinamerika, Xu Bing, Bing Yang, Cai Guo-Qiang, Hague Yang sowie Kyoung Jae Cho, Bodys Isek Kingelez und Georges Adéagbo, um nur einige zu nennen. Diese Ausrichtung wird in der Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen.“
Den Blick über den Tellerrand wagen. Der Spruch ist leider schon sehr abgenutzt. Er wird in diesen Tagen einfach sehr oft benutzt. Aber deswegen ist er nicht minder richtig und wichtig: Denn wenn man sich mal bemüht, dann bekommt man auch mehr mit von Kunst aus aller Welt. Mein Horizont wurde beispielsweise immens erweitert, als ich am Goethe-Mooc teilnahm. Die „Cases“, anhand derer Kunstmanagement erlernt werden sollte, befanden sich in aller Welt. Ich hatte mich besonders für die Situation in Lagos und das dortige Centre for Contemporary Art interessiert. Das war schon eine ganz andere Welt. Aber künstlerisch sehr spannend. Sehr wichtig ist dann auch die Arbeit solcher Einrichtungen wie das Goethe-Institut, die für die Vernetzung in der ganzen Welt sorgen.
Die Institution
Ich will jetzt nicht auflisten, welche Modelle für welche Kulturinstitution greifen könnten. Es wird ja schon hier und da einiges unternommen. Meist ist das aber so Kleinklein … also da wird hier und da mal ein Programm aufgelegt. Da werden Flüchtlinge zu Guides ausgebildet. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass da großartig eine Strategie, ein Konzept dahinter steht. Gleiches gilt für die Schulen. Da spielt das Thema „Kultur“ auch irgendwie rein und man muss eine Menge neuer Herausforderungen meistern.
Eines ist klar: schnell geht Veränderung nicht von statten. Und es ist – ich muss mich auch hier wiederholen – eine Frage der Haltung. Wenn die stimmt, wenn man grundsätzlich auf das Thema „Vielfalt“ stetzt und sich auch dem Stichwort „Offenheit“ nicht verschließt, dann ist schon mal ein großes Stück Weg zurückgelegt. Dann lassen sich auch Probleme managen. Keiner wird bestreiten, dass die auftauchen. Vor allem wenn es um die Ressourcen geht. Es kostet Geld, Manpower und ein Stück muss die Komfortzone verlassen werden. Aber aus eigener Erfahrung (ich bin froh, dass ich mit dem Museumsdienst in vielen unterschiedlichen Projekten an diesem Thema arbeiten darf) kann ich bestätigen, dass sich Erfolge nach und nach messen lassen. Vor allem, wenn es sich bei den Programmen nicht um Eintagsfliegen handelt. Dranbleiben, über das eigene Tun reflektieren und beharrlich neue Ideen entwickeln – das ist eine Möglichkeit für die Zukunft.
Mich würde es sehr freuen, wenn noch ein paar weitere Meinungen und Beiträge zu der Blogparade „Kultur im Wandel“ entstehen. Es fehlt auf jeden Fall noch an frischem und kompetentem Input zu diesem Thema.
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