Moderne Zeiten – neue Techniken


In den Straßen fuhren die Automobile, und durch die Lüfte zog der Zeppelin seine Bahnen. Die Bilder lernten laufen. Dazu gaben neue Materialien wie Eisen und Zinn der Architektur und dem Kunsthandwerk neuen Schwung. Diese technischen Neuerungen bewirkten auch eine Dynamisierung des Lebensgefühls der Jahre um die Jahrhundertwende. Nicht von ungefähr fanden sich im Formenrepertoire des Jugendstils so häufig kühne Schwünge – sie sind auch Ausdruck dieser Entwicklung. Der Strukturwandel der modernen Metropole mit seinen neuen Erfindungen von der Metro über die Litfaßsäule zu den neuen Tempeln der Unterhaltung bot dem modernen Menschen eine ganze Reihe von Entfaltungsmöglichkeiten.

Hoch hinaus

Gustav Eiffel hatte die Idee seines Mitarbeiters Maurice Koechlin umgesetzt und mit dem „Turm der nackten Tatsachen“ 1889 eine Entwicklung gefeiert, die schon mit den Eisenkonstruktionen um die Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen hatte. Eiffel, der im Übrigen bereits an den Planungen zur 1886 eingeweihten Freiheitsstatue beteiligt gewesen war – er konstruierte das Rahmenfachwerk –, wehrte sich erfolgreich gegen sämtliche Vorschläge zur Verkleidung des Gerüsts und ließ sich durch Schmähungen wie „lächerliche merkantile Idee eines Maschinenbauers“ und „Schande von Paris“ nicht beirren. „Der Eisenarchitektur gehört die Zukunft – so viel ist sicher.“ So schrieb Heinrich Pudor 1902: „Wir verlangen heute für die Innenräume in erster Linie Luft und Licht und Großräumigkeit; diesen Forderungen zu genügen, ist aber der Eisenbau am meisten angethan.“ Eiffel  verhinderte den Abriss des nach ihm benannten Turmes, indem er dort Funkexperimente ausführte und dem Turm somit einen praktischen Sinn gab.

Anzeige für Odol in den Bozner Nachrichten, 5. Juni 1898, Quelle: Wikipedia

Schöne neue Warenwelt

Mit der Jahrhundertwende traten noch weitere Phänomene in Erscheinung, die die Wahrnehmung der Menschen nachhaltig beeinflussen sollten. Die Entdeckung des Steindrucks begünstigte die Entwicklung der Plakatkunst, die nunmehr den öffentlichen Raum zu erobern begann. Als herausragender Vertreter dieser Richtung gilt Jules Chéret, der eine eigene Druckerei betrieb und mit insgesamt 1200 Arbeiten einen enormen Einfluss auf die Herausbildung der Reklame nahm. Chérets vereinfachende Formensprache und seine im wahrsten Sinne des Worte plakative Farbgebung setzten die Maßstäbe für das neue Phänomen Werbung. Mit seinen „Cheretten“, den leichtfüßigen Schönheiten seiner Plakate, hatte Chéret die perfekten Trägerinnen der Werbebotschaften geschaffen. Die Entwicklung der Markenbildung nahm ihren Lauf, und Produkte wie das Mundwasser der Firma Odol wurden zu Symbolen der neuen Zeit. Nicht allein, dass die Beschäftigung mit dem Thema „Hygiene“ ein Ausdruck der Lebensreform jener Jahre war. Viel interessanter ist gerade bei diesem Produkt, dass erstmals eine gezielte Werbekampagne bewusst auch mit künstlerischen Mitteln betrieben wurde. Besonders die in der Jugend veröffentlichten Anzeigen folgten bewusst einem künstlerischen Anspruch. Nicht zuletzt war die Gestaltung des geschwungenen Flaschenkörpers dem Formenverständnis der neuen Stilkunst geschuldet.

Detail an einem Eingang zur Metro in Paris.

Im Rausch der Schnelligkeit

Die Wende zum 20. Jahrhundert war gekennzeichnet von Umbrüchen, neuen Ideen und neuen Techniken, die sich schon lange angekündigt hatten. So wird vielfach die Entstehung der Kinematographie als ein Phänomen gesehen, das mit Begriffen wie Schnelligkeit und Dynamik auch die Ästhetik des Jugendstils beeinflussen konnte. Ebenso gab die Erfindung des Automobils wichtige Impulse für die Wahrnehmung der äußeren Welt. Während sich jedoch nur wenige Menschen ein solches leisten konnten, galt die Eisenbahn als zentrales Merkmal der veränderten Lebensbedingungen an der Epochenschwelle. Die Eisenbahn und ihre urbane Schwester, die U-Bahn, waren Symbole für die sozialen, ökonomischen und kulturellen Umbrüche jener Jahre. Davon zeugen nicht zuletzt die sorgfältigen Gestaltungen der Metrostationen in Städten wie Paris oder Berlin.

1854

Erteilung der Erlaubnis, „Annoncier-Säulen“ zu errichten, ergeht an den Drucker Ernst Litfaß

1863

Einweihung der London Underground

1872

Eadweard Muybridge fertigt Serienfotografien eines galoppierenden Pferdes an

1886

Carl Benz erfindet den Vorläufer des heutigen Autos

Einrichtung eines „Reclame- und Pressebüros“ beim Würzhersteller Maggi

1889

Einweihung des Eiffelturms

1893

Unternehmer Karl August Lingner bringt in Dresden das Mundwasser Odol auf den Markt

1895

Erste öffentliche Filmvorführung der Gebrüder Skladanowsky im Berliner     Varieté Wintergarten

Die Gebrüder Lumière präsentieren ihren Cinématographen in Paris

1900

Erster Flug eines Luftschiffs

Eröffnung der Pariser Métro

1901

Eröffnung der U-Bahn in Berlin

1903

Gründung des „Verbandes von Markenartikeln“ in Berlin

1904

Eröffnung der New York City Subway

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