Luxus und Exotik – Art déco

Da geh ich zu Maxim,
Dort bin ich sehr intim,
Ich duze alle Damen
Ruf‘ sie beim Kosenamen,
Lolo, Dodo, Joujou
Clocio, Margot, Froufrou,
Franz Lehár, Die lustige Witwe

Die „Goldenen Zwanziger“ gelten als Synonym für Luxus und Lebensfreude. Das drückte sich auch in der Betonung jener Dinge aus, die das Leben schöner machen sollten. Edle Materialien sorgten für extravagante Mode und opulente Raumausstattungen. Elegante Formen und intensive Farben steigerten die Schönheit der Arts décoratifs. Die neuesten Errungenschaften in der Gestaltung zeigte man auf einer Internationalen Ausstellung, die 1925 in Paris von der Société des Artistes Décorateurs veranstaltet wurde. Der Begriff Art déco war geboren. Im opulent ausgestatteten Orient-Express oder im verschwenderischen Interieur gigantischer Luxusdampfer trug man die neue Ästhetik um die Welt.

Schöne neue Welt

Das Streben nach Schönheit und die damit verbundene Forderung nach der Einheit von Kunst und Leben brachten dem Kunsthandwerk im Jugendstil seine große Bedeutung. Nach dem Schock des Ersten Weltkrieges hielt man kurz inne, doch schon bald ging es für die nächsten Jahre in einen wirtschaftlichen Aufschwung: Jahre, die geprägt waren von einem großen Verlangen nach Luxus und Eleganz. Gepaart mit den Avantgardeströmungen der klassischen Moderne entstand ein beschwingtes Lebensgefühl, das von vielen treffend als „Tanz auf dem Vulkan“ beschrieben wurde. Aber die Glanzzeit hielt nicht lange an. 1929 begann mit dem Börsencrash der Abstieg, der schließlich zur Herrschaft der Nazis und zum Zweiten Weltkrieg führen sollte.

Tamara de Lempicka

Eine der Protagonistinnen der „Goldenen Jahre“ war die Malerin Tamara de Lempicka. Sie verkörperte wie kaum eine andere den Typus der „neuen Frau“, die selbstbewusst und selbstbestimmt auftrat. 1898 wurde sie in eine Familie aus dem polnischen Großbürgertum  hineingeboren. Sie selbst hat ihr Leben lang ihren wahren Geburtsort verschwiegen. Überhaupt stilisierte sich diese Femme fatale der Malerei gerne durch erfundene Geschichten über ihr Leben. Auch einen ihrer wichtigsten Lehrer wollte sie in späteren Jahren verschweigen: Maurice Denis. Der hatte der lebenshungrigen Adligen, die bei Verwandten in St. Petersburg erste Schritte zu einer künstlerischen Ausbildung unternommen hatte, im Pariser Exil ab 1919 Malunterricht gegeben. Jedoch entwickelte sich Tamara de Lempicka schnell über die mystischen Themen und runden Formen des Fauves-Mitgliedes hinaus. Sie zog es vor, stundenlang im Louvre die Meisterwerke der italienischen Renaissance zu betrachten. Eine Italienreise im Jahr 1922, die sie mit ihrer ersten Geliebten unternahm, bestärkte sie, dem glatten Malstil italienischer Meister wie Botticelli oder Bronzino zu folgen. Eine hedonistische Grundeinstellung, die sich zwischen den Kriegen entwickelt hatte, begünstigte Aktdarstellungen, die zu dieser Zeit groß in Mode kamen. Auch provozierende Darstellungen, wie die von Zwei Freundinnen, mit denen die Lempicka ihre lesbische Neigung unverhohlen präsentierte, riefen kaum Moralapostel auf den Plan. Ihr zweiter Lehrer André Lhote sorgte als Jurymitglied des Salon des Indépendants dafür, dass Lempicka dieses Bild einem breiten Pariser Publikum präsentieren konnte.

1925 war Tamara de Lempicka auf der Pariser Art déco-Schau vertreten, und auch heute noch wird ihr kraftstrotzender Malstil mit dieser Richtung in Zusammenhang gebracht. Sicherlich trugen auch der luxuriöse Lebensstil der Malerin und ihre Selbstinszenierung als Femme fatale auf der Suche nach sexuellen Abenteuern zu dieser Verbindung bei. In ihrem Selbstporträt am Steuer eines rasenden Bugatti-Cabrios zeigte sie offensive Unerschrockenheit und inszenierte sich ganz im Sinne des Mythos von Abenteuerlust und Freiheit als verwegener „Flappers“-Typ. Dieses Frauenbild, das nicht zuletzt auch von ihrer Freundin Coco Chanel maßgeblich geprägt wurde, geisterte in den zwanziger Jahren durch die Reklamewelt, tauchte im Kino und in Zeitschriften auf. Mit Bubikopf und Zigarettenspitze bevölkerten die „neuen Frauen“ die Nachtklubs, wo sie sich nahmen, wozu sie Lust hatten.

Eine dieser unerschrockenen Frauen trat damals unverschämt grinsend in der Revue Nègre auf und elektrisierte mit ihren Tänzen die Nachtschwärmer: Ihr Name war Josephine Baker. 1925 hatte ihre aus Amerika importierte Revue in der schicken Comédie des Champs-Elysées Premiere. Die Exotik des „Afrikanischen“ war schon in der Neuen Welt zu einer modischen Erscheinung geworden und schwappte nun über den Ozean nach Europa. Josephine Baker, fast nackt, vollführte irre Verrenkungen und schwang dazu ein Röckchen aus Pappmaché-Bananen. Sie wurde zum Megastar der zwanziger Jahre. Ernest Hemingway nannte sie einst „das sensationellste Weib, das Menschenaugen je gesehen haben“. Die Revue-Tänzerin war das Aushängeschild für eine Gesellschaft, die alles Exotische, Exquisite und Luxuriöse liebte. Die Gestaltung ihrer Figur zur Art déco-Diva war maßgeblich auch ein Werk der Kostümbildner und ihres Managers, der ihr zum Beispiel einen Geparden schenkte, der ihre katzenhafte Exotik in der Öffentlichkeit noch stärker herausstreichen sollte. Die Revue lebte vom großen Auftritt mit glitzernden Kostümen, die bei der Baker zwar reduziert, aber dennoch punktgenau in Szene gesetzt waren.

Ein Leben für Mode und Eleganz

Die Welt der Kostüme und Bühnenbilder war auch die Welt des Modedesigners Erté, der als Romain de Tirtoff in St. Petersburg zur Welt kam und sein erstes Kostüm angeblich bereits mit fünf Jahren zeichnete. Als 19-Jähriger kam er nach Paris, arbeitete für die wichtigsten Modehäuser und stieg mit einem Exklusiv-Vertrag bei der Modezeitschrift Harper’s Bazaar in den Modeolymp auf. Eine Karriere in den USA folgte, wo er als Bühnenbildner und Kostümdesigner das Gesicht der Revuen und Filme Hollywoods mitbestimmte. Erté, der gerne nachts beim blauen Schein einer Lampe arbeitete, die seine Entwürfe in ein kühles Licht tauchte, prägte den eleganten Stil der Mode des Art déco, indem er Abstraktion und romantische Exotik miteinander verknüpfte und so eine unverwechselbare Linie schuf. Allein die Namen verschiedener Zeichenserien, die er bis in die späten achtziger Jahre hinein entwarf, zeigen das Spektrum seiner inhaltlichen Bezüge: „Zeus & Hera“, „Scheherezade“, „The Metropolis“, „Paris Days and Nights“ „The Divas“! Mit seinen mondänen Entwürfen stilisierte er die Frau zur Göttin auf der Bühne der Jazzclubs und intellektuellen Salons und inszenierte somit ihre dramatischen Auftritte.

Iribe_Les_Robes_de_Paul_Poiret_p.17.jpg (3600×3960) (wikimedia.org)

Einer der wichtigsten Couturiers dieser Goldenen Jahre war auch der Modemacher Paul Poiret, der unter anderem Kostüme für Josephine Baker fertigte. Er schuf auf der Basis der Reformkleider eine neue, elegante Aufmachung für die „neue Frau“ und hüllte sie in fließende Gewänder, schmückte sie mit orientalischen Turbanen oder zog ihnen Hosenröcke an. Seine Anregungen kamen aus den Ballets Russes von Sergej Diaghilev, die opulenten Farben übernahm er von Künstlern wie Henri Matisse. Mit zum Teil kühnen abstrakten Mustern waren seine Modelle modern und mondän zugleich. Für seine Stoffe ließ er auch zeitgenössische Künstler wie Raoul Dufy Muster entwerfen und engagierte namhafte Fotografen, die seine Mode gekonnt in Szene setzen sollten. Poiret gehörte aber auch einer neuen Generation von Modeschöpfern an, die als Auftraggeber für zeitgemäße Innenausstattungen die Entwicklung des Kunsthandwerks  beeinflussten. Er selbst soll ebenfalls Möbel entworfen haben, die den strengen Stil der Wiener Werkstätte verarbeiteten. Besonders geometrische Akzente und schwarz-weiße Dekorationen waren als sehr beliebt.

Meuble au char 1922 de Jacques-Emile Ruhlmann (1879-1933) Ebène de Macassar, amarante, ivoire Dépôt du musée du Louvre La salle du 3ème étage du musée des années 30 à Boulogne-Billancourt, Copyright: Jean-Pierre Dalbéra Wikimedia Creative Commons 2.0

Kostbare Stücke

Makassar-Ebenholz und Intarsien aus Elfenbein – edler geht es kaum noch. Das erklärte Ziel des Möbeldesigners Emile Jacques Ruhlmann war es, durch simple Formen, aber äußerst kostbare Materialien in aufwendiger Handarbeit Möbel von zeitloser Eleganz zu schaffen. Ihm war bewusst, dass diese außergewöhnlichen Einzelstücke einer an Luxus gewöhnten Klientel vorbehalten sein würden. Zudem erzielte er durch den hohen Aufwand und die teuren Materialien kaum einen Gewinn. Aber er war der Auffassung „Mode entsteht nicht unter den gewöhnlichen Menschen“, und so schuf er seine Pretiosen für Kronprinzen, Maharadschas oder Filmstars. Damit waren die Ideale von Morris & Co. endgültig überholt, und die ästhetische Gestaltung des Lebens hing wieder davon ab, wie weit man sie sich leisten konnte. Beibehalten wurde nur die Bedeutung des Handwerks, die Wertschätzung des Materials, die Ruhlmann bis auf die Spitze trieb, indem er oft monatelang an einem Stück arbeitete, seine Werkmeister immer wieder antrieb, ein weiteres Mal den Entwurf zu überprüfen, bis er ihn in der Umsetzung für perfekt hielt. Schönheit als Perfektion, Ästhetik als Attitüde des ultimativen Anspruchs – so prägte Ruhlmann die zwanziger Jahre. An der Schau der dekorativen Künste 1925 nahm er mit einem Entwurf für das „Haus eines Sammlers“ teil und zeigte damit noch einmal die Verbindung zu den gestalterischen Ideen der Gesamtkunstwerke des Jugendstils auf.

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