Was für eine Fülle! Die Ausstellung im Museum Kunstpalast zeigt über 200 Werke. Der Katalog ist mit über 300 Seiten voll von äußerst spannenden Details zu einem der genialsten Maler der frühen Neuzeit. Die Ausstellung „Lucas Cranach der Ältere. Meister. Marke. Moderne“ zeigt schon im Titel: da gilt es allerhand zu sortieren. Ich habe jetzt den Ausstellungsbesuch etwas in mir arbeiten lassen und den Katalog gelesen. Da es keinen Sinn macht, alles nachzuerzählen, picke ich mir hier einige Aspekte heraus, die mir Eindruck gemacht haben und dich ich euch gerne weitergeben will.
Lucas Cranach
Mann der Renaissance. Während eines Aufenthaltes in Wien kam er schon um 1502 in Kontakt mit wichtigen Humanisten, die an der dortigen Uni ein neues Weltbild verbreiteten.
Benannt nach seiner Geburtsstadt Kronach. Sein Vater ist Hans Moller. Der gibt seinem Sohn natürlich nicht ohne Grund den Namen Lucas! Lukas der Evangelist ist der Schutzpatron der Malergilde.
Bester Freund des großen Reformators. Kennengelernt haben sie sich wohl nach 1511 in Wittenberg, wo Luther als Professor tätig war und Cranach auf Geheiß des Kurfürsten Friedrich des III. schon seit 1505 wirkte. Wort und Bild ergänzten sich perfekt. Cranach und Luther. Zwei Männer, die die Welt veränderten.
Marketing-Genie. Er entwickelte in seiner Werkstatt einen einheitlichen Stil, der von jedem seiner Mitarbeiter ohne Qualitätsverlust umgesetzt werden konnte. Als Gütesiegel diente das Cranach Signet. (eine schwarze Schlange mit zwei schwarzen Fledermausflügeln, auf dem Haupt eine rote Krone und in dem Mund einen goldenen Ring mit Rubinstein) Aus seiner Werkstatt kamen nicht nur Altarbilder und Porträts, sondern auch große Wand- und Deckengemälde. Die Ausstattung von Hoffesten und Turnieren zählte ebenso dazu wie Entwürfe für Kostüme und Goldschmiedearbeiten. 1520 erwarb Cranach ein Apothekenprivileg, mit dem er außerhalb der Jahrmärkte Handel treiben durfte. Farben waren übrigens Apothekerwaren.
Luther
1520 entsteht der Kupferstich „Luther als Augustinermönch“, mit dem Cranach das öffentliche Bild Luthers entscheidend mitgeprägt hat. Man stelle sich vor: ein Nicht-Adeliger, der allein ob seiner Gedanken „bildwürdig“ ist. Seit 1518 hatte Luther hin und wieder die Dienste des Malers in Anspruch genommen und einige Titelbilder zu seinen Schriften herstellen lassen. Das jetzt gewann aber eine andere Dimension. Von nun an sorgte Cranach dafür, dass das Bild Luthers in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Anscheinend erkannte er die Bedeutung dessen, was Luther da in Gang brachte und setzte seine Unterschrift ganz bewusst unter diese Bilder.
Die Sache der Bilderstürmer war Luthers nicht und so machte er auch deutlich, dass Bilder erst dann zu verdammen seien, wenn mit ihnen Missbrauch getrieben wurde – sprich, wenn es zu sehr der Frömmigkeit und Heiligenverehrung dienen sollte. Bilder waren für Luther in besonderem Maße auch Material der Unterweisung und sollten entsprechende Botschaften beinhalten. Er nannte das „Merckbild“, mit denen der Gläubige das Wort der Bibel besser behalten könne. Erlösung versprechen könnten sie hingegen nicht. Dies vermag nur der Glaube.
In diesem Sinne erfindet Cranach neue Bildtypen, die solche theologischen Gedanken übersetzen. Einer davon wird mit „Gesetz und Glaube“ bezeichnet und direkt auf die Verbildlichung der lutherischen Erlösungslehre zurückgeht.
Deutlicher geht es kaum. Die Hände. Schaut euch die Hände an. Sie erzählen eigentlich alles. Das verzweifelte Menschlein ringt mit der Verdammnis. Doch die Propheten zeigen ihm, dass es Erlösung gibt. Das ideale „Merckbild“.
Lucas Cranach der Ältere
Gesetz und Glaube, 1529
Malerei auf Lindenholz, 72 x 88,5 cm
Národní galerie v Praze/ Nationalgalerie Prag
Und nun zu etwas völlig Anderem: Nackete Bilder
Auf der einen Seite ist Cranach untrennbar mit Luther und der Reformation verbunden. Aber mir stehen bei der Erwähnung dieses Künstlers immer sofort seine besonderen Aktfiguren vor Augen. Die Venus und ihr süßer kleiner Cupido. Das eindrückliche Paar Adam und Eva. Sie sind ein weiteres Bildmotiv Cranachs, das im Zusammenhang mit dem Humanismus gesehen werden muss. Und das einen großen Wirkungskreis gezogen hat.
Nackete Bilder – lange bevor der Begriff Akt in die Kunstgeschichte eingegangen ist (erst im 19. Jahrhundert) hatte Dürer als Erfinder dieses eigene Bildmotiv so benannt. Ich habe mir bislang über die Entstehung kaum Gedanken gemacht, fand es aber ungeheuer spannend, dass diese Gattung nicht etwa in Italien erfunden wurde, sondern in Deutschland. Botticelli und Co. haben zwar wunderschöne Akte geschaffen. Dies aber immer nur in einem mythologisch verbrämten Zusammenhang.
Cranach erkannte wohl die Bedeutung dieses neuen Bildtypus und übertrumpfte Dürer bald mit seinen Erfindungen. Via Holz- und Kupferstiche nahm das künstlerische Kräftemessen seinen Lauf. In der Ausstellung ist diesem Wettbewerb ein ganzer Raum gewidmet. Denn er macht das erstarkte künstlerische Selbstbewusstsein deutlich, ohne das viele Bilder nicht entstanden wären.
Wer jetzt darauf hinweisen möchte, dass die Körperproportionen der Venus aber nicht so ganz nachvollziehbar sind, dem antworte ich hier mit einem Zitat von Anne-Marie Bonnet, die das ganze Sujet im Katalog spannend ausdeutet:
„Die im Kontrast zur Idealität Dürers merkwürdige Disproportionalität der Glieder und die nahezu manieristische Formelhaftigkeit der Haltung entsprechen ihrem Double-bind-Charakter, zugleich verführerisch zu sein und vor den eigenen Reizen zu warnen, lautet die Inschrift auf dem Gemälde doch: „Dränge mit ganzer Anstrengung Deine Liebesgelüste zurück, damit nicht Venus von deinem geblendeten Herz Besitz ergreife.“
Und zu guter Letzt: eine Posse mit moralischem Anspruch
Über vierzig Mal malte Cranach ein Motiv, das damals äußerst populär gewesen ist. Die ungleichen Paare, die sich aus den Vorstellungen des „Weibermacht“-Sujets entwickelten sind auch aus heutiger Sicht noch extrem verwunderlich. Wie Karikaturen wirken diese Darstellungen von Paaren, wo ein deutlicher Altersunterschied den Betrachter zum Nachdenken anregt. Liebespfand und Geld für die Gunst – man versteht schnell, was da passiert. Bis ins Groteske sind die „alten“ Partner gezeichnet.
Diese moralisch motivierten und doch als eigenes Bildmotiv extrem schräg daherkommenden Gemälde sind sicher nicht ohne die Entwicklung des Humanismus zu denken. Denn einmal steht der Mensch mit seinen Irrungen und Wirrungen im Vordergrund. Zum anderen ist das Motiv ein künstlerisches Statement, das in all seiner bewussten Schrägheit Wirkung zeigen soll.
Wie sehr Cranach mit seiner Kunst bis in die Moderne hineingewirkt hat, wird in der Ausstellung ebenfalls thematisiert. Mich hat natürlich besonders die Verbindung zwischen Otto Dix und Cranach interessiert. Dix hatte während seiner Düsseldorfer Jahre das ungleiche Paar Cranachs (Der verliebte Alte) in der Sammlung der Kunstakademie Düsseldorf gesehen. Und sein Ungleiches Liebespaar von 1925 ist das Ergebnis. Eine spannende Verbindung und eine perfekte Überleitung zu meinem nächsten Blogpost, den ich zeitnah nachschieben werde.
Wer sich weiter mit Cranach beschäftigen möchte, dem empfehle ich die Forschungsdatenbank zu Lucas Cranach, in der viel Wissen steckt. Und die sogar benutzerfreundlich ist 🙂
Die Ausstellung ist noch bis zum 30. Juli in Düsseldorf zu sehen. Es lohnt sich!
Das Beitragsbild „Blick in die Ausstellung „Cranach. Meister – Marke – Moderne“, stammt von Stefan Arendt, LVR-ZMB
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