Kunst und Wirtschaft

Die einzig Konstante ist die Veränderung. Mit dieser Erkenntnis startete gestern eine vielversprechende Veranstaltung der IHK Köln zum Thema „Verändern mit Kunst“.
Dr. Ulrich S. Soénius, Geschäftsführer der IHK Köln für Standortpolitik, Verkehr und Unternehmensförderung wollte einmal ausprobieren, was passiert, wenn man Kunstschaffende und Unternehmer zu einem gemeinsamen Workshop einlädt. Und um die 60 Teilnehmer saßen dann auch erwartungsfroh im Börsensaal und lauschten der Einführung durch Dr. Hartmut Neckel von der Firma Scientific Consulting, die den Nachmittag bespielen sollte. Durch eine kurze Befragung, die mit Handzeichen beantwortet wurde, war klar, dass ungefähr die Hälfte der Interessierten aus Kulturschaffenden bestand. Gefühlt vielleicht noch mehr. Unternehmer gab es schon auch einige – wie mir schien jedoch mit einem eher zögerlich-skeptischen Gesichtsausdruck. Doch dazu später mehr.
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Warum sollten Unternehmen sich verändern wollen und wie kann Kunst dabei helfen? Mit rhetorischen Impulsen führte man in die Thematik ein. Antworten zu dieser Fragen wurden reichlich mitgeliefert: Kunst kann Veränderung gestalten helfen, Verhaltensmuster ändern und Querdenkertum beflügeln. Man müsse dabei seine angestammte Komfortzone verlassen und sich in einen kreativen Prozess begeben. Bei den Kulturschaffenden schien einhelliges Einverständnis zu herrschen, bei dem ein oder anderen Unternehmer immer noch Argwohn.
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Nun Schritt man zur Tat! Und ich muss hier erwähnen, dass ich absolut begeistert war von den vorbereitenden Maßnahmen des Workshops, die den altehrwürdigen Börsensaal in zwei Erlebniszonen eingeteilt hatten. Rechts gab es ein Rund aus Stellwänden (noch nie habe ich solch edle, holzvertäfelte Stellwände gesehen), das sich wie ein magischer Ting-Platz in den Raum fügte. Mit Farbe, Paletten, Pinseln und Schwämmen sowie Capes aus Plastikfolie und Einmal-Handschuhen war aber auch nichts mehr dem Zufall überlassen worden. Dergestalt versorgt und geschützt ging es nun unter der (durchaus strengen) Leitung der Kunstpädagogin Martina Klenner an die Arbeit. Beziehungsweise an den Prozess. Die Teilnehmer wurden mit einer bestimmten Choreographie angeleitet, Papierbahnen zu bemalen. Schnell entstand eine heitere kommunikative Stimmung („Sie malen ja nur Striche“, „Ich bin noch nicht fertig hier“, „Haben Sie noch etwas Blau“) – sicher das Beste, was einem passieren kann, wenn man eine gute Arbeitsatmosphäre kreieren möchte. Zwischendrin wirkte die Inszenierung der Malaktion hier und da etwas beliebig und mir hätte es z.B. besser gefallen, wenn die Aktion „Malen nach Anweisung“ mit verbundenen Augen passiert wäre. So hinter dem eigenen Rücken die Farben zu setzen, war schwierig und anstrengend. Aber die Schlussbetrachtung brachte in der Sammlung von Begriffen und Bildtiteln die schöne Erkenntnis der positiven Impulse, die so ein Mal-Event haben kann.
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Man braucht einen Plan!
Linker Hand verstellte zunächst eine hohe Pappmauer nebst Stellwänden den Blick auf das zu erwartende Erlebnis – das machte neugierig. Sicher kein schlechter Schachzug, wenn es darum geht, die Teilnehmer in einer freudigen Erwartung der kreativen Ereignisse zu halten. Dahinter eröffnete sich die Anderswelt eines veritablen Künstlers. Daniel Hoernemann alias Waldbrodt hatte hier mit Landkarten und kleinen Installationen eine Art temporäres Atelier geschaffen. Die Teilnehmer sollten ihm nun bei der Arbeit zusehen. Man durfte auch Fragen stellen. Bei der Aufforderung, sich ein mögliches Problem vorzustellen, auf welches der Künstler möglicherweise mit Lösungsansätzen reagieren könne, wirkten die meisten Teilnehmer überfordert. Der zu Beginn herrschende skeptische Ton, unter den sich vor allem die Frage nach der Bezahlung mischte, verlor sich allerdings erstaunlicherweise, je länger man mit dem Künstler im Kontakt war. Und das war wirklich interessant, zu beobachten. Denn versuchte Walbrodt zunächst noch einem Seminarleiter gleich zu fragen, zu animieren und um Rückmeldung zu buhlen, änderte sich die Stimmung ab dem Zeitpunkt, wo es darum ging, dass er aus seiner eigenen Erfahrung plauderte. Der Künstler im Unternehmen, der auch mal seine Zweifel und Ängste äußern kann, die er beim Austesten der ungewöhnlichen Idee hatte, sein Atelier für einige Zeit in eine Firma zu verlegen. Und da kamen sie dann plötzlich, die Fragen. Ob er denn auch mal auf „bockige“ Mitarbeiter zugehe, wurde zum Beispiel gefragt. Und ich glaube, jeder der Teilnehmer konnte sich plötzlich die subversive Kraft der Intervention durch Walbrodt vorstellen, als dieser schilderte, wie schon mal bei dem ein oder anderen Mitarbeiter am nächsten Morgen etwas auf dem Schreibtisch stünde, was vorher nicht da gewesen sei. Daniel Hoernemann betonte, dass er als Künstler überhaupt nicht angetreten sei, den Unternehmens-Coach zu geben. Dafür hole er sich im Bedarfsfall die Spezialisten hinzu. Für ihn ist dieses Experiment „Das Atelier im Unternehmen“ vor allem so wertvoll, weil der Künstler nicht alltäglich ist, weil er ein Fremdkörper ist, der auch mal die Dinge gegen den Strich bürstet. Die Zeit – in der Regel 3 Monate – die er im Unternehmen arbeitet, wird von ihm allerdings auch für seine eigene künstlerische Arbeit als spannender Impuls gewertet.
Spannend wurde es dann auch noch einmal zum Schluss der Veranstaltung, als Ralph Friedrichs von der IT-Firma Cyberdine aus der Sicht des Unternehmers darüber Auskunft gab, wie es denn war, als Walbrodt sein Atelier in seiner Firma aufgeschlagen hatte. „Er kam, er war da und ich hatte keine Angst, dass es schlimm wird.“ Ganz entscheidend für das Experiment war sicherlich die gegenseitige Sympathie der beiden Protagonisten. Der Künstler schätzte den Unternehmer, weil der jemand ist, der auch mal was wagen würde. Bei so viel positiver Energie hatte man fast das Gefühl, dass nun niemand mehr einen kritischen Blick auf eine solche Veranstaltung werfen wollte. Doch meldete sich ein Unternehmer aus dem Publikum zu Wort, den der Schuh drückte. Er habe Verantwortung für die Lohntüte seiner Mitarbeiter und wollte nun die Kosten-Nutzen-Rechnung aufgemacht haben. Und mit der einfachen Replik, bei Kunst dürfe es nicht um Kosten-Nutzen-Rechnungen gehen, gab sich der Kfz-Meister auch nicht zufrieden. Was gut war. Denn nachdem noch einmal gezielt aufgezeigt wurde, was Kunst alles bewirken kann und wie sich der Umgang mit ihr sowohl auf die Kultur eines Unternehmens, auf die Kommunikation im Unternehmen, auf das Wohlfühlen der einzelnen Mitarbeiter auswirken kann, schien auch hier jemand überzeugt worden zu sein. Auch wenn ich beim Gedanken an die Jungs aus den beiden Werkstätten des Meisters schmunzeln muss, wie sie da mit bunter Farbe im Kreise sich drehend die Papierwände bemalen würden. Das war für mich eigentlich das beste Ergebnis des Nachmittags, dass man eine Lanze für den Stellenwert von Kunst und Kultur auch bei hartnäckigen Skeptikern hat brechen können. Und für diesen Austausch außerhalb der Kunstszene, mit Menschen, die man sonst nicht so schnell treffen würde, möchte ich der IHK danken. Und wünsche mir, dass – wie angekündigt – die Fortsetzung folgt.

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