Na, die Frage kommt mir ja gerade recht. Was ist Kultur für dich? So fragt Tanja und initiiert mal wieder eine feine Blogparade. Und da ich mich darauf verlassen kann, dass die unendliche Bandbreite an Begriffsklärung schon von anderen übernommen wird, will ich aus meiner Sicht berichten (Blog-Leitbild!).
Kultur ist meine Passion und meine Profession
Mir kam spontan die Zeile „Kultur ist, wenn man’s trotzdem macht“ in den Sinn. Wobei das ja blöd um die Ecke gedacht ist. Aber vielleicht versteht ihr es trotzdem. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass zu Beginn meines Studiums ein Germanistikprofessor den Kopf schüttelte über die vielen Studierenden der Germanistik, Kunstgeschichte und sonstigen Geisteswissenschaften. Er war nämlich der Meinung, dass wir alle keinen Job bekämen. Tja, dieses Szenario hat sich bis heute nicht wesentlich geändert, oder irre ich mich da? Gott sei Dank waren meine Eltern nicht so drauf, dass sie mir die Nummer mit der Brotlosigkeit vorleierten. Beide nahmen regen Anteil an den Inhalten meines Studiums und ich hatte auch nie das Gefühl, dass sie lieber eine Ärztin oder Rechtsanwältin zur Tochter gehabt hätten. Von vielen Bekannten bekam ich jedoch immer wieder zu hören: „Kunstgeschichte? Was kann man denn damit werden?“ Tja, alles und nichts! Früher ärgerte ich mich über die Bezeichnung „Papageienfächer“. Heute ist bunt meine liebste Farbe!
Ich empfinde es als großes Glück, dass ich mit Kultur mein Geld verdienen kann. Dass das für eine Freiberuflerin schon mal anstrengend sein kann, ist ein anderes Thema. Aber ich bin nicht für einen „normalen“ Bürojob gemacht. Das hatte ich kurz nach dem Studium mal für eine Weile. War nichts für mich. Wenn ihr mich nach einem Hobby fragen würdet, so kann ich euch da spontan nicht drauf antworten. Kunst, Literatur, Musik, Theater – all das vermischt sich in meinen unterschiedlichen Projekten. Die Beschäftigung damit ist für mich Inspiration genug. Andere brauchen vielleicht einen Ausgleich zum Brotjob. Ich freue mich schon wieder auf die nächsten Herausforderungen in Sachen Kultur.
Kultur fürs Volk
Ein Satz, den ich immer wieder höre, wenn es um Kultur (und vor allem deren Finanzierung geht): „Kultur gehört nicht zur Daseinsfürsorge!“ Das mag so sein. Natürlich ist es erst einmal wichtig, die Grundversorgung herzustellen. Man muss wohnen, essen und auch arbeiten können. Ich habe es gerade hautnah erlebt, dass man für andere Dinge keinen Kopf hat, wenn es an allem fehlt. Weil ich mich für die Willkommenskultur engagieren wollte, habe ich einige Kulturprojekte mit Flüchtlingen hier bei uns in Frechen vorgeschlagen. Allein, es zündete nicht so richtig. Das mag auch andere Ursachen gehabt haben. Aber eine davon ist sicherlich, dass erst einmal andere Dinge für die Flüchtlinge wichtig sind.
Auf der anderen Seite spielt die Partizipation an Kultur eine nicht unwesentliche Rolle. Das fällt einem vielleicht erst dann auf, wenn die Teilhabe nicht mehr möglich ist. Gerade heute und morgen gebe ich ein Seminar für diejenigen, die mit dementiell veränderten Menschen arbeiten. Hier möchte ich Möglichkeiten der Aktivierung durch Kunst, Kultur und Kreativität aufzeigen. Diverse Untersuchungen haben gezeigt, wie positiv sich das auswirken kann. Kunstbetrachtung führt zur Ausschüttung von Wohlfühl-Botenstoffen. Literatur ist Nahrung für die Seele und Musik ist pure Emotion.
Wunschkonzert
Ein kleiner Wermutstropfen: In der Kultur herrscht ein Mangeldenken. Es gibt nicht genug Geld, sie zu finanzieren, nicht genügend Jobs (hat der Professor leider recht gehabt!) für viele gut ausgebildete Geisteswissenschaftler. Von den Kürzungen der Kulturetats könnten wir wohl alle ein vielstimmiges Lied singen. Was wäre, wenn wir mal ohne die Schere im Kopf darüber nachdenken würden, was sein könnte, wenn all das keine Rolle mehr spielen würde? Wie wäre es in Utopia, wenn wir in Sachen Kultur aus dem Vollen schöpfen könnten?
Es können all die vielen fantastischen Ideen umgesetzt werden, die bei Autoren, Künstlern, Regisseuren, Choreographen schlummern. Man wird in großen Teams an einer Sache arbeiten und alle notwendige Energie hineinstecken, um das Projekt perfekt zu machen. Keiner muss draussen bleiben! Die freie Kultur kann sich in Ruhe entwickeln und neue Impulse für die Gesellschaft liefern. Künstler dürfen ohne Druck die verrücktesten Sachen machen. Kunst erobert das Internet. In der Schule stehen die Fächer Kunst, Musik, Literatur und Theater ganz oben auf dem Lehrplan. Kultur und Wirtschaft sind eine unschlagbare Kombi (und nicht mehr dieses Werbefuzzi-Ding, wie es mir häufig unterkommt). Kultur kann heilen. Das Hoch in Hochkultur bezieht sich auf die Freude und nicht auf den Status. Kultur kennt keine Grenzen.
Je länger ich drüber nachdenke, desto vielschichtiger wird es. Ich muss jetzt hier für heute aufhören. Aber vielleicht ergänzt ja jemand meine Gedanken. Lasst uns mal ein bisschen rumspinnen. Das ist ja das Wunderbare an solchen Blogparaden, die Tanja bestimmt wieder dokumentieren wird (schon jetzt sage ich Danke für die viele Arbeit): dass man gemeinsam ein Thema anreichert und es immer weiter verdichtet. Ich werde auf jeden Fall gerne alles lesen und auch kommentieren.
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