„Dieser hauchzarte Duft nach Thymian und Mandeln, Feigen und Kastanien. Diese Ahnung von Rosmarin und Lavendel.“ Was Osolemirnix den Galliern von seiner Insel vorschwärmt, das konnten wir in der zurückliegenden Woche mit eigener Nase nachvollziehen. Es riecht wirklich ganz besonders auf Korsika. Die Macchia, diese dichte faszinierenden Pflanzenwelt, die ein Großteil der Berge im Landesinneren und auch die Küstenstränge bedeckt, hat einen außergewöhnlichen Duft, den sie verbreitet. Und dieser findet auch seinen Weg in die typischen Spezialitäten der Insel. So schmeckt der Käse, so duftet der luftgetrocknete Schinken nach der Macchia. Korsika, das ist das vielzitierte Gebirge im Meer. Korsika, das ist das Urlaubsparadies, das alle Frischluftfanatiker anzieht und welchem sie gerne mit dem Aufkleber der Corsica Ferries auf ihren Volvos huldigen.
Wir haben unseren Aufenthalt auf der Insel der Schönheit mit einem Besuch bei einer Freundin verbunden, die dort schon seit vielen Jahren lebt und inmitten der Altstadt von Bastia eine Wohnung hat. Hier wimmelte es noch nicht so von Touristen, wie es wohl im Hochsommer der Fall ist (weswegen sie auch regelmäßig wieder nach Deutschland flieht) und es gab nur hin und wieder ein Spektakel vor dem alten Gouverneurspalast, das von der Lautstärke her aber auszuhalten war. Der herrliche Blick in den Port de Plaisance ist sowieso das Beste, womit man den Tag starten kann! Irgendwie haben wir die Stadt in unser Herz geschlossen. Ich als Kölnerin verspüre eh immer ein solidarisches warmes Gefühl, wenn das Urbane nicht auf Hochglanz poliert ist. Es nagt der Zahn der Zeit und der Wind vom Meer hier ganz ordentlich an einigen der Altstadt-Häuser. Die stolze Zitadelle hingegen hat man vor einigen Jahren richtig fein herausgeputzt. Der als barocker Gouverneurs-Palast für die Genueser Statthalter auf Korsika errichtete Bau strahlt sonnengelb und bildet mit dem Blau des Himmels ein so schönes Bild, dass man nur so dahinschmelzen möchte. Sofortiges Urlaubsfeeling setzt ein!
Ein weiterer Vorteil von solch privaten Besuchen ist, dass man schon mal gerne etwas selbst gemachtes serviert bekommt. In unserem Fall war das ein gar köstlicher Fiadone. Ein aus dem Ziegenfrischkäse Brocciu gebackener Kuchen. Diesen Ziegenkäse gibt es nur zu der Zeit, in der die kleinen Zicklein Milch trinken. Später im Jahr wird dann eine Art Milchpulver verwendet, denn verzichten wollen die Korsen auf ihre Leibspeise anscheinend nicht. Das besondere Aroma des Fiadone wird erreicht, wenn man eine der prallen Zitronen der Insel für den Abrieb und den Saft verwendet. Mhhh. Kulinarisch hat die Insel tatsächlich viel zu bieten. Wir haben sogar Wildschwein gegessen. Allerdings wurden wir ein bisschen ausgelacht, weil wir es im Vieux Port bestellten und nicht in den Bergen. Am Hafen Wildschwein essen – die spinnen die Touris. Aber ich wollte es unbedingt mal probieren und wir kamen nicht mehr in die Berge. So klein die Insel insgesamt auch ist (Sardinien ist beispielsweise vier mal größer), so hat sie doch ihre regionalen Eigenheiten. Und Animositäten. Die Bastianer mögen zum Beispiel Calvi überhaupt nicht leiden. Das ist der mondäne Hafenort auf der anderen Küstenseite der Insel. Erinnert mich irgendwie an Köln und Düsseldorf!
Aber natürlich sind wir nicht nur wegen Kaffee und Kuchen gekommen. Wir wollten in der einen Woche viel sehen und erleben. Unser Vorteil: eine ortskundige Freundin!! „Ihr müsst unbedingt in die Balagne! Könnt auch mein Auto haben!“ Hach!!! Über den Höhenzug in der Mitte der Insel gelangten wir in die Balagne. Man merkt sofort, dass sich die Landschaft verändert, wenn man den Knotenpunkt Ponte Leccia passiert hat und Richtung L’Île Rousse abbiegt. Es wird ein bisschen karger, doch wenn man dann an der Küste steht, öffnet sich die Landschaft und formt himmlische kleine Badestrände mit türkisfarbenem Wasser. Hier kann man an vielen Stellen Halt machen und einfach mal nichts tun! Doch auch ein Ausflug in kleine Dörfer wie das malerische Pigna lohnen sich unbedingt. Malerische Hänge mit Oliven- und Feigenbäumen säumen eine kleine Straße, die sich durch die Orte schlängelt. Die Produkte der Region – wie zum Beispiel herrliche Clementinen oder auch der äußerst gute Wein oder das Olivenöl – bringen mich jederzeit zum Schwärmen. In Algajola gibt es auch einen Fahrradverleih und die bieten geführte Touren über die kleinen Dörfer an. Wenn ich – hoffentlich bald – mal wiederkomme, dann will ich das unbedingt machen, denn mit dem Auto ist man doch ein bisschen zu unflexibel dort unterwegs.
Durch die Hänge führt ein Wanderweg, der auch wunderschön ist und bei dem man in jedem der kleinen Örtchen eine Einkehr in einer der romantischen Dorfkneipen einplanen sollte. Wer sportlicher unterwegs ist, dem sei eine Höhnewanderung auf den Mont Tolu ans Herz gelegt. Dieser gilt als der schönste Berg Korsikas und man soll einen unglaublichen Blick über die gesamte Balagne haben. Auch noch etwas, was ganz dringend auf meine to-do-Liste gehört. Doch da mich meine Freundin allerdings seit Jahren als Kulturtussi kennt, hatte sie für den nächsten Tag ein besonderes Highlight für mich. Wir fuhren wieder von Bastia aus über den Pass in Richtung des Col de San Stefano und von dort aus auf das kleine Örtchen Murato zu. Mitten auf der Hochebene auf einer grünen Wiese stand sie dann. Ein Kleinod pisanischer Architektur: die Kirche St. Michele de Murato!
Wie ein Diamant in der Fassung eines teuren Verlobungsringes funkelt diese Kirche aus dem 13. Jahrhundert auf einer Anhöhe im sogenannten Nebbio. Einem hügeligen Gebiet, welches als äußerst fruchtbar gilt und im Winter mit dichten Nebeln verhangen ist. Jetzt kann man aber den Blick weit schweifen lassen. Ein Pärchen hat sich unter einem Baum neben der Kirche zum Picknick niedergelassen und ich schleiche um den mehrfarbigen Bau herum. Eine ganz besondere Aura geht von dieser schwarzweißen Ästhetik aus. Viele kleine Geschichten sind an der Fassade versteckt und werden durch Symbole und kleine Plastiken erzählt. Ein ganz wundervoll erhaltener Bau ist das. Es gibt einige dieser polychromen Kirchenbauten auf Korsika und sie erzählen von der Zeit, als die Stadt Pisa die Schöne im Meer unter ihre Herrschaft stellte. Ab dem 14. Jahrhundert herrschten dann die Genueser auf der Insel und setzten ihre architektonischen Duftmarken mit dem Ring der Wehrtürme rund um die Insel, von denen heute auch noch viele erhalten sind. Aber ganz ehrlich: nach Korsika kommt man nicht wegen der Kultur. Hier und da gibt es schon was zu schauen, aber das eigentliche Ziel jedes Korsika-Fans ist die einzigartigen Natur. Hier wird gewandert. Und das in allen Varianten. Man kann mit dem GR20 einen richtig anspruchsvollen Höhenwanderweg „machen“ – wie es so schön heißt. Oder verschiedene kleinere Touren. Für uns als Einsteiger war zunächst eine Küstenwanderung angesagt.
Der Ausgang zu unserer Tour ist der Küstenort Macinaggio und von dort aus starteten wir auf dem alten Zöllnerweg zu einem Spaziergang an der Küste entlang. Das ist ein wirklich tolles Erlebnis, welches man leider auch mit einer Menge anderen Wanderern teilen muss – aber es lohnt sich trotzdem. Mitten durch die Macchia geht der leicht staubige Pfad und ich musste unbedingt alle paar Meter stehenbleiben. Dort ein Erdbeerbaum, aus dessen knallroten Beeren ein leckeres Gelee produziert wird und dessen Blätter dem Lorbeer so ähnlich sehen. Hier ein Myrthenstrauch, aus dem der fantastische Likör und andere Köstlichkeiten hergestellt werden. Ach und der Ausblick auf zwei kleine vorgelagerte Inselchen, auf denen eine Vogelkolonie ein ohrenbetäubendes Gezeter veranstalten. Und immer wieder dieses herrlich blaue Meer, das eine einfach unglaublich schöne Farbharmonie mit der grünen Macchia an der Küste herstellt. Für die sportliche Variante kann man ganz um das Kap Corse herumwandern oder zumindest bis zur nördlichen Spitze. Wir beschränken uns auf die 4-Stunden-Wanderung, die über einen Pfad an der malerisch verfallenen Kapelle Santa Maria della Chiapella durchs Landesinnere führt. An dem recht schmucklose Bau aus dem 16. Jahrhundert kann man achtlos vorbeigehen oder in seinem Schatten ein Picknick veranstalten. Aber wir haben die mit einem einfachen Mechanismus verriegelte Tür geöffnet und was uns da erwartete, war schon irre. Die Kirche muss einmal einen wunderschönen Innenraum gehabt haben. Es gibt zwei unterschiedlich große Apsiden und in der größeren stehen noch Reste eines Altares. Mit zwei interessanten an Lebensbäume erinnernden Skulpturen und den vertrockneten Blumen, die jemand da vor langer Zeit abgelegt hatte, wirkte es geheimnisvoll und mystisch. Verfallen alles, ja! Aber es breitet sich diese spezielle Aura aus, die man in solchen „Lost Places“ findet. Toll, die Wandmalereien, die sich langsam zersetzen und mit der Feuchtigkeit hier in der Küstennähe eine neue „Malerei“ entstehen lassen. Spannende Entdeckungen wie eine kleine antik aussehende Tafel in einer Wandnische. Die Geschichten in meinem Kopf schlagen Kapriolen und die Phantasie hebt ab. Draußen holt uns die flirrende Luft und der Rückweg durch Kuhweiden wieder auf den Boden zurück!
Die Küstenwanderung war sehr entspannt. Aber wir wollten es bei unserem einwöchigen Aufenthalt auch noch mal ein bisschen wissen. So in Richtung anspruchsvolle Wanderung. Und da schien uns die Tavignano-Schlucht eine gute Idee, zumal unsere Freundin meinte, hier könnten wir uns auf keinen Fall verlaufen. Haben wir dann doch ganz kurz geschafft und fanden uns plötzlich inmitten der schroffen Felsen wieder. Wir hatten nicht gesehen, dass die verwaschenen orangenen Hinweiszeichen eine Abbiegung scharf rechts in den Wald hinein befahlen. Ausgangspunkt für diese tolle Wanderung entlang der alten Hirtenwege ist die „heimliche Hauptstadt“ Korsikas. Corte hat nur 5000 Einwohner und ein paar Zerquetschte. Aber! Sie haben eine Uni dort! Der Freiheitskämpfer Pascal Paoli hatte sie ins Leben gerufen und heute sorgt sie für das spezielle Flair einer gemütlichen Studentenstadt. Aber es finden sich hier auch die Wanderfreaks. Besonders gut zu erleben in einem Shop für Profi-Ausrüstungen. Dort werden dann die News ausgetauscht. „Ob man über den Circe de Solitude passieren kann?“ „Nein, besser nicht, letzte Woche hat es da nochmal geschneit und jetzt ist vorgestern jemand abgerutscht und 80 Meter in die Schlucht gestürzt.“ Auweia! Aber wir wollten ja nicht so ganz hoch hinaus. Aber man muss schon trittfest sein, denn es geht teilweise über felsigen Stolperuntergrund auf dem Weg tief hinein in die Schlucht. Unten sieht man den Tavignano rauschen und die felsigen Berghänge bilden immer wieder eindrucksvolle Formationen. Komischerweise fühlte ich mich an Antoni Gaudi erinnert.
Unser Ziel, eine tolle Bade-Gumpe (ein neues Wort, das wir gelernt haben) unter einer Hängebrücke haben wir dann doch nicht erreicht, denn in den Bergen dräute ein Gewitter und wir sind dann ganz schnell wieder Richtung Corte zurück gelaufen. Und tatsächlich: als wir in das Auto stiegen, fing es ausgiebig an zu schütten. Aber dieser Wanderweg, der Teil des Mare-Mare-Fernwanderweges ist, lohnt auch noch eine zweite Begegnung! Und so neigte sich dieser erste Korsika-Besuch dem Ende zu. Ein tolles Fleckchen Erde, mit eher italienischem als französischem Flair, eine Menge Natur, viel Sonne (im Hochsommer kann das schon mal zu viel werden) und dem ein oder anderen kulinarischen Highlight! Jetzt soll doch auch der Sommer hier endlich mal in die Pötte kommen. Es ist ja versprochen. Und auch hier bei uns gibt es jede Menge Möglichkeiten, umsonst und draußen zu genießen. Kunst, Kultur und auch mal ein leckeres Eis! Wobei ich schon sagen muss, dass die Eise auf Korsika etwas ganz besonderes waren!
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