Heute kam die Einladung für eine neue Tagung der Museumspädagogen. Diesmal geht es um Vermittlungskonzepte in Museen und museumsähnlichen Einrichtungen. Und man stellt das Ganze unter das Motto „Crossover“ – ein gerne gewähltes Wort, wenn man andeuten will, dass ein bisschen über den Tellerrand hinaus geschaut werden soll.
Die museumspädagogische Landschaft (eigentlich mag ich den Begriff Museumspädagogik nicht leiden) ist voll von reformwilligen Menschen, die auch schon mal stolz verkünden „ganz konsequent besucherorientiert“ zu agieren. Doch irgendwie herrscht nach wie vor eine gewisse Berührungsangst mit dem Wort „Event“ vor und erlebnisorientiert ist auch längst noch nicht jedes Angebot, das sich so nennt.
Die Tagung findet in Hamburg statt und ein Programmpunkt beschäftigt sich mit der Frage „Hamburg-Dungeon – Bestimmt kein Museum!? Das ist mein absolutes Lieblingsbeispiel, wenn es um die kulturkritische Diskussion geht, sich einer „Abstimmung mit den Füßen!“ nicht zu beugen.
Das Hamburg Dungeon eröffnete im Jahre 2000 und übertraf die Erwartungen bei weitem. Über 500.000 Besucher kommen jährlich, oft bilden sich Schlangen am Eingang und die Speicherstadt ist mit diesem Erlebnispark zum Zentrum einer neuen Entertainment-Kultur geworden. Das Konzept des „Freizeitparks“ ist von London übernommen worden, wo bereits 1975 so ein erfolgreiches Dungeon eröffnete.
Dort nennt man sich übrigens Museum für „simulated horror from history“. In Hamburg durchläuft man Themenbereiche zur Pest (und auch ein bisschen Cholera), Sturmflut und das große Feuer von 1842.
Trotz vieler historischer Sets – das Thema „Geschichtserlebnis“ dürfte doch eher im Hintergrund stehen bei einem Besuch der Dungeons. Auch ist fraglich, ob der bemühte Appell auf der Homepage bemerkt wird, doch darüber nachzudenken, dass auch heute noch Folter und Gewalttaten die Welt beherrschen. Das besonders schräge Angebot, ein Firmenevent im Raum „Störtebeckers Hinrichtung“ zu feiern (Bestuhlung nach Ihren Wünschen) hat man unterdessen von der Homepage genommen. Feiern kann man allerdings immer noch.
Es gibt viele Punkte am Dungeon, über die man intellektuell die Nase rümpfen könnte. Aber meiner Meinung nach lohnt es, sich doch einmal genauer mit der Frage zu beschäftigen, warum solche Erlebnisparks so überaus erfolgreich sind. Was kann man möglicherweise auch für die Vermittlung „seriöser“ Kunst und Kultur aus diesem Phänomen lernen und sogar übertragen?
Der Mensch will sich ereignen! 1992 beschrieb der Soziologe Gerhard Schulze in seinem Buch die „Erlebnisgesellschaft“ und prägte somit einen kultursoziologischen Begriff, der allerdings erst Jahre später in den Museum angekommen war. Zunächst aber wurde er frustriert genutzt, um das Ausbleiben von Besuchern zu erklären und häufig stellte man das Museum dem „Erlebnis“ – auch gerne abschätzend „Event“ genannt diametral gegenüber.
Stellen wir also fes:, die gesellschaftlichen Grundbedürfnisse sind einem erdrutschartigen Wandel unterzogen worden. Begriffe wie „Konsum“ aber auch „Ästhetisierung des Alltags“ bestimmen diesen Wandel. „Wir amüsieren uns zu Tode!“ und Warenhäuser sind die neuen Kathedralen. Von klugen Menschen wie Postman und Opaschowski erhalten wir klare Analysen des status quo.
Wenn das Museum neben seinen Aufgaben des Bewahrens immer noch wesentlich auch das Vermitteln der Kulturgüter sieht, dann muss es sich diesem gesellschaftlichen Wandel anpassen. Eine der Hauptaufgaben muss es sein, Methoden zu entwickeln, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und die oberste Pflicht ist hier: Zielgruppenanalyse. Und Zielgruppe dürfen nicht nur jene sein, die sowieso schon kommen!!
Ein Museum wird nach ICOM definiert als „eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt“.
Da taucht es ja auch auf: zu Unterhaltungszwecken! Also, das ist also gar nicht schlimm, wenn man auch „Entertainment“ betreibt. Eine neudeutsche Wortschöpfung taucht am Horizont auf: „Infotainment“!! Wissensvermittlung, die Spaß macht.
Zurück noch einmal zum Hamburg Dungeon.
Warum also drängen sich hier die Massen? Da ist einmal das jahrhundertealte Phänomen des „Schauerns“, sich „Gruselns“ zu beobachten. Damit versichert man sich seiner eigenen Sicherheit und seines Wohlergehens wieder oder wird ihrer stärker bewusst – ein durchaus banales Bedüfnis, das schon im Mittelalter dazu führte, dass öffentliche Hinrichtungen das Allergrößte waren.
Auch nicht von der Hand zu weisen ist allerdings die Faszination von gut gemachten Inszenierungen und aufwändigen Installationen, in die man als Besucher eintauchen kann. Oftmals eine ganzheitliche Erfahrung, die alle Sinne anspricht.
Und das ist eine Sache, von der sich so manch Kurator, einzelne Kunstvermittler und Museumsoffizielle gerne mal eine Scheibe abschneiden können.
Ich bin sehr gespannt auf die Berichte von der eingangs erwähnten Tagung und hoffe auf entsprechende Publikationen, da mich ein dringender Auftrag vom Besuch derselben fernhält.
(Besonders natürlich auf die Beantwortung der Frage, ob die Hamburg Dungeons ein Museum sind oder nicht! EIN MUSEUM????)
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