Yvette Guilbert : sur la scène and Yvette Guilbert, Henri de Toulouse-Lautrec.
Bibliothèque de l’Institut National d’Histoire de l’Art
Public Domain Mark 1.0
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Im grellen Licht der Theaterscheinwerfer: Yvette Guilbert. Zufrieden lächelnd nimmt sie die Huldigungen des Publikums entgegen. Wir sind heimliche Beobachter hinter der Bühne und erleben hautnah, wie es sich angefühlt haben muss. Damals bei den Café Concerts. Wir sind wie Henri Marie Raymond de Toulouse-Lautrec-Monfa, der kleine Mann und große Künstler, der sich so unauffällig unter die schillernden Figuren der Pariser Amüsierbetriebe mischte und der in seinen Bildern die aufgeheizte Atmosphäre der Belle Époque festgehalten hat.
Yvette Guilbert war mit ihrer roten Perücke und dem grell geschminkten Gesicht der Star des Pariser Nachtlebens. Varietés und Cabarets schossen damals wie Pilze aus dem Boden. Und die Theatergöttinen regierten hier als eigenständige Persönlichkeiten mit unverwechselbarem Image.
Als 1889 das berühmte „Moulin Rouge“ seine Pforten den Amüsierwilligen öffnete, war Yvette Guilbert eine der Hauptattraktionen. Doch konnte es auch vorkommen, dass sie an einem Abend an verschiedenen Orten in Paris auftrat. Sie war eine unverwechselbare Gestalt des Pariser Nachtlebens, deren bekanntestes Chanson von „Madame Arthur“ handelte, einer Dame, die von einem reichen Galan ausgehalten wird.
… Elle était la Reine du bal
Au cavalier lui faisant face
Son pied touchait le nez, ma foi,
Chacun applaudissait sa grâce …
Ihr Gesang war nicht lieblich, eher wie ein eindringlicher Sprechgesang. „Wüste Tragik, leichter Spott“ – wie Alfred Kerr es einst nannte. Ihre scharf geschliffenen Texte waren zeitkritisch und oft führte sie die Zensur an der Nase herum, indem sie verbotene Worte einfach ausließ. Ein großer Bewunderer – nicht zuletzt wegen ihrer freizügigen Texte – war Siegmund Freud, der Yvette Guilbert bei ihren Gastspielen in Wien kennenlernte. Sie entsprach dem Typus der Femme fatale, der um die Jahrhundertwende in Mode war. Und so wurden die zahlreichen Anspielungen in ihren Liedern vom Publikum phantasievoll ausgedeutet. „So war im letzten Grunde jene Generation, der man jede Aufklärung und jedes unbefangene Beisammensein mit dem anderen Geschlecht prüde untersagte, tausendmal erotischer disponiert, als die Jugend von heute mit ihrer erhöhten Liebesfreiheit.“ So schrieb Stefan Zweig über die Gesellschaft der Belle Époque in „Die Welt von gestern“.
Ihr frivoles Repertoire verhalf Yvette Guilbert zu großem Ruhm . Und Henri Toulouse-Lautrec fing gekonnt einen Moment ein, in welchem sie das auskostet. Er zeigt uns aber auch die braven Biedermänner im Publikum, die aufgeregt auf ihrem Sitz in den Logen herumrutschen. Schnell wie eine Zeichnung wirkt die Lithographie, mit der uns Toulouse-Lautrec einen authentischen Augenblick präsentiert. Fast so als wären wir da gewesen. Solche Blätter haben sicherlich auch zum Starkult um die Diseuse beigetragen.
Tragisch, dass dieser funkelnde Pariser Stern nicht ewig leuchten konnte. Eine Kritik von Peter Panter (alias Kurt Tucholsky) über einen ihrer Auftritte im Berlin der 20er Jahre beschreibt die traurige Gestalt einer alternden Diva, die das 20. Jahrhundert nicht versteht. „Da steht – fast gespenstisch – die alte Yvette, mit den langen, schwarzen Handschuhen, dem grünen Kleid mit der roten Blume – und macht den schlimmsten Fehler, den einer überhaupt machen kann: sie singt gegen die Zeit.“
Henri Toulouse-Lautrec, der selbst mit jungen 36 Jahren 1901 starb, hat Yvette Guilbert indes unsterblich gemacht und so hat sich das Bild der ultimativen Diva mit ihrer unvergleichlichen Bühnenpräsenz ins kollektive Gedächtnis aller Kunstliebhaber eingebrannt. Die Lithographie-Serie, die 1898 von Bliss and Sand herausgebracht wurde, trägt dazu bei.
English version
Yvette Guilbert : sur la scène and Yvette Guilbert, Henri de Toulouse-Lautrec.
Bibliothèque de l’Institut National d’Histoire de l’Art
Public Domain Mark 1.0
In the bright light of the theatre spotlights: Yvette Guilbert. Satisfiedly smiling, she accepts the audience’s homage. We are secret observers behind the scenes and experience firsthand what it must have felt like. Back at the Café Concerts. We are like Henri Marie Raymond de Toulouse-Lautrec-Monfa, the little man and great artist who mingled so inconspicuously with the dazzling figures of the Parisian amusement companies and who captured the heated atmosphere of the Belle Époque in his paintings.
Yvette Guilbert was the star of Parisian nightlife with her red wig and glaring face. Varietés and cabarets sprang up like mushrooms back then. And the theatre goddesses ruled here as independent personalities with an unmistakable image.
In 1889, when the famous „Moulin Rouge“ opened its doors to amateurs, Yvette Guilbert was one of the main attractions. But it could also happen that she appeared in different places in Paris on one evening. She was an unmistakable figure of Parisian nightlife, whose best-known chanson was about „Madame Arthur“, a lady held by a rich gallantry.
… Elle était la Reine du bal
Au cavalier lui faisant face
Son pied touchait le nez, ma foi,
Chacun applaudissait sa grâce…
Her singing was not lovely, more like a vivid chant. „Desert tragedy, light mockery“ – as Alfred Kerr once called it. Her sharply honed texts were time-critical and often censorship led her around the nose by simply omitting forbidden words. A great admirer – not least because of her permissive lyrics – was Siegmund Freud, who met Yvette Guilbert during her guest performances in Vienna. She corresponded to the type of femme fatale, which was in fashion around the turn of the century. And so the numerous allusions in their songs were interpreted imaginatively by the audience. „Thus, in the last analysis, the generation that was forbidden from any sex education (…) was a thousand times more erotic than the youth of today with their increased freedom of love“. Stefan Zweig wrote about the society of the Belle Époque in „The World of Yesterday“.
Her frivolous repertoire made Yvette Guilbert famous. And Henri Toulouse-Lautrec skillfully captured a moment in which she savours it. But he also shows us the Biedermänner in the audience, who are nervously sliding around on their seats. The lithograph, with which Toulouse-Lautrec presents us with an authentic moment, appears as fast as a drawing. Almost like we were there. Such leaves have certainly also contributed to the star cult around the vocalist.
It’s tragic that this sparkling Paris star couldn’t last forever. A review by Peter Panter (aka Kurt Tucholsky) about one of her performances in Berlin in the 1920s describes the sad figure of an aging diva who does not understand the 20th century. „It says – almost spooky – the old Yvette, with the long black gloves, the green dress with the red flower – and makes the worst mistake anyone can ever make: she sings against time.“
Henri Toulouse-Lautrec, who died in 1901 at the age of 36, made Yvette Guilbert immortal and so the image of the ultimate diva with its incomparable stage presence has been burned into the collective memory of all art lovers. The lithography series, which was published by Bliss and Sand in 1898, contributes to this.
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