Wie erreiche ich mein Publikum?


Allgemein, Digitalisierung, Kulturvermittlung, Methoden / Freitag, Juli 31st, 2015

Das ist eine Kardinalfrage, die einen Blogbeitrag lohnt. Auch wenn es vermutlich kaum möglich ist, hier eine umfassende Antwort zu finden. Wer ist das Publikum und wieso muss ich es eigentlich erreichen? Tja, das ist eine schwierige Frage und in der Kultur erlebe ich immer wieder Trotzreaktionen darauf. „Gegen eine Abstimmung mit den Füßen“ heißt es da schon mal gerne. Will meinen: wir möchten die Qualität unserer Arbeit nicht daran gemessen wissen, wie viele Besucher kommen. Dass Quantität eine wenig smarte Messgröße ist, will ich gerne zugeben. Auf der anderen Seite kenne ich auch dieses Hadern mit der Tatsache, dass man ständig fantastische Programme entwickelt, es aber keinen interessiert! Und das gilt für das analoge Kulturleben genauso wie für das Web. Wenn es euch interessiert, was ich darüber denke, dann lest gerne weiter!

Dieses Internet

In diesem Internet erreicht man indes eine Menge Menschen mit einem – relativ gesehen – kleinem Aufwand. Relativ gesehen, sage ich deswegen, weil es nicht ganz ohne Arbeit geht. Und auch nicht mal eben schnell. Wie denn? Höre ich schon quengeln. Hier kommen meine 10 ultimativen Tipps, wie ihr G-A-R-A-N-T-I-E-R-T … ach nee! So geht das nicht. Es ist ein bisschen komplizierter. Die sozialen Netzwerke sind für den Kulturbereich ein zweischneidiges Schwert. Man schwankt in der Einschätzung immer noch zwischen Segen und Fluch. Ich gehöre eher zu der Fraktion, die ein Segen darin sieht, sich mit möglichst vielen Akteuren zu vernetzen, unkompliziert an Informationen ranzukommen und die eigene Sache unters Volk zu bringen. Doch verstehe ich auch die Angst vor Überforderung, falschen Entscheidungen oder gar Missverständnissen. Was das Ganze nicht einfacher macht: Es sind immer mehr Anbieter unterwegs. Da wächst der Druck, sich mit guten Ideen zu positionieren.

Die Sache mit der Empfehlung

Wie oft habe ich dieses Mantra schon gehört: Sharing is caring!  Im Prinzip stimmt es ja auch. Aber nur im Prinzip. Ich gestehe: es passiert, dass ich Beiträge weiterleite, die ich nicht gelesen habe. Bei manchen nehme ich mir vor, dass ich sie später lese. Manchmal vergesse ich das aber auch wieder. Ja, jetzt ist es raus! Ihr dürft gerne Buh! rufen. Macht ihr das nie? Ich finde das aber nicht so schlimm. Denn ich leite nur Beiträge von Menschen weiter, auf deren Aussagen ich vertraue. Und von deren Inhalten ich weiß, dass mein Netzwerk daran interessiert sein könnte. Mehrwert is king. Natürlich ist ein wertender Kommentar noch besser. Und wer ständig nur unkommentierte Weiterleitungen publiziert, dem wird man möglicherweise irgendwann kein Gehör mehr schenken.

Der Kümmerer an sich handelt ja vielleicht aus reiner Menschenliebe. Im Netz gilt jedoch vor allem der Grundsatz: Geben und Nehmen. Funktioniert garantiert 🙂 Ist aber nicht ganz so einfach, wie es klingt! Vor allem, was das Geben angeht! „Wir geben euch tolle Inhalte, wertvolle Kulturgüter und jede Menge Bildung!“ Das mag ja stimmen. Aber ihr müsst euch der Realität stellen, dass das die meisten Menschen nicht erreicht.

Botschafter-Empfang

Alleine schafft ihr es nicht. Ihr braucht Fürsprecher, Multiplikatoren, Influencer. Also Menschen mit einer gewissen Reichweite. Will heißen: den hören eine ganze Menge Menschen zu, wenn sie etwas empfehlen. Von dem etwas sperrigen Begriff der Stakeholder will ich hier nicht sprechen. Aber das mit den Multiplikatoren und Fürsprechern hat eine lange Tradition in der Kultur. Man muss nur die ganzen Freundeskreise betrachten. Interessant, sich auch dort einmal umzusehen, wer warum Mitglied ist. Welche Erwartungen haben die meisten? Als ich einmal einem Vorsitzenden eines Museumsfreundekreises vorschlug, doch in der Mitgliederwerbung den „Mehrwert“ für die Teilnahme herauszustreichen, verwahrte er sich empört gegen solch einen Handel. Man solle gefälligst aus reinem Altruismus eine Mitgliedschaft erwägen. Tja, wenn es denn so wäre!

Was meiner Erfahrung nach oft eine Rolle für das Engagement in solchen Förderkreisen ist: die first-to-know-experience. Kommt euch das bekannt vor? Dieses Prinzip funktioniert ja auch sehr gut in der Blogger-Relation oder bei den viel gelobten Tweetups.

Warum es eine gute Idee für Kulturinstitutionen ist, sich mit Bloggern zusammenzutun, hat Tanja schon vor einiger Zeit ausführlich besprochen. Was ein Tweetup für Möglichkeiten birgt, steht hier nachzulesen. Die bislang beispielhafteste und nachhaltigste Bindung zu Menschen, die als Botschafter für das Museum funktionieren, ist bis heute immer noch die Aktion #myRembrandt von den Pinakotheken. Ich bin überzeugt davon, dass die stete Begleitung durch die dortigen Social Media Verantwortlichen eine wesentliche Motivation für die Teilnehmer an der Aktion gewesen ist. Und Motivation ist unabdingbar! Ich bin zum Beispiel nur bereit, etwas zu unterstützen, wenn ich das Gefühl habe, dass das auch wahrgenommen wird, wenn ich es tue! Wie oft erlebe ich es, dass einfach eine Idee in den Raum gegeben wird und man dann erwartet, dass es schon von selbst laufen wird.

Ansteckungsgefahr

Auch wenn das schon so oft gesagt wurde, muss ich es hier noch einmal wiederholen: mit Emotionen kriegt man sie alle! Gute Laune am Morgen – das ist doch schon eine gute Messlatte, an der man das ein oder andere Posting ausrichten könnte. Doch Vorsicht! Es kann sehr schnell auch zu beliebig werden. Vielleicht auch zu offensichtlich, dass man da seine Netze auswirft. Es ist eine hohe Kunst, hier auch eine gute Mischung zu entwickeln. Denn natürlich gilt es, einen gewissen Mainstream zu treffen. Tja, und es ist sicher nicht einfach, als Institution Humor zu zeigen. Geht das überhaupt?

Geschichten erzählen ist gut! Ihr wisst schon! Lagerfeuer und so. Au ja, Geschichten haben wir als Kulturinstitution ja jede Menge zu erzählen. Das stimmt. Vor allem habt ihr Geschichte zu erzählen 🙂 Und die ist sooooo komplex! Und so ein Posting ist vergleichsweise kurz! Die Aufmerksamkeitsspanne eurer Zielgruppe noch kürzer. Merkt ihr selbst, ne? Es ist nicht einfach, die Fülle der Informationen auf ein gut konsumierbares Maß zu reduzieren. Auch mir als Kunsthistorikerin fällt es manchmal schwer, mancher Geschichte zu folgen. Wie ergeht es dann erst dem Laien.

Ich habe ein Beispiel für euch, bei dem man schön nachvollziehen kann, wie sich ein kreativer Impuls weiterentwickelt hat. Die Geschichte mit den Emoji hatte zumindest zwei Faktoren, die ansteckend sein können: Einfachheit und eine Art Inkubationsraum, in dem eine Idee wachsen kann. Nämlich die Community. Denn es braucht sicher eine kritische Masse, um eine Aktion auch über die Grenzen der eigenen Fangemeinde hinaus schwappen zu lassen. Doch letztlich kann man den Funken nicht wirklich steuern, der dann die Grenzen durchbrechen lässt. Die besten Chancen haben jedenfalls Themen, die möglichst viele Andockmöglichkeiten für die Ziele anderer bieten. Mit Überraschungen aufzuwarten oder Trends nachzuspüren ist manchmal auch eine gute Idee.

Vor einiger Zeit haben wir mit den Herbergsmüttern aus Lust am Experiment mit dem #kunstputz eine erstaunliche Reichweite erzielt. Wie man Inhalte regelrecht „besetzen“ kann, lässt sich an dieser Aktion sehr schön ablesen. Manchmal helfen auch ganz konkrete Beispiele, die Kreativität der Follower anzukurbeln. Denen darf es dann allerdings nicht zu schwer gemacht werden, eigene Beiträge zu kreiieren.

MonetMoment

Wirkt es schon?

Und jetzt komme ich zum eigentlichen Grund meines Posts 🙂 Es ist mir eine große Freude und auch Ehre, in die Jury des diesjährigen Virenschleuderpreises berufen worden zu sein. Ich hatte ja im letzten Jahr schon ein wenig daran rumgebaggert, dass sich die Pinakotheken mit #myRembrandt dort bewarben. (Ratet, wer den Preis für die ansteckendste Idee erhalten hat????). Das ist ein ermutigendes Vorbild.

Von Akteuren der Buchbranche ins Leben gerufen, setzt der Virenschleuderpreis nunmehr auf Vorschläge aus der breiten Kulturszene. Lassen wir uns anstecken. Denn ich finde, es ist ein wunderbarer Motivationsschub für engagierte Ideenfindung. Jetzt brauche ich eure Unterstützung. Denn die von mir beobachtete Museums- und Kulturszene strotzt nicht gerade vor Perlen, was virale Aktionen angeht. Es gibt sie aber. Helft ihr mir, sie zu finden?

In der nächsten Woche beginnt die Einreichungsphase für den Preis, dessen Verleihung wie immer während der Frankfurter Buchmesse stattfindet  (16. Oktober). Initiator und Organsiator Leander Wattig werkelt schon heftig im Hintergrund und verspricht auch einige neue Ideen für den Abend im Spiegelzelt. Das wird bestimmt klasse. Also: wo habt ihr in der letzten Zeit gute Marketing-Aktionen beobachtet. Von Museen, von Künstlern, Musikern oder kulturellen Institutionen? Ich freue mich auf eure Hinweise in den Kommentaren.

 

 

 

 

11 Replies to “Wie erreiche ich mein Publikum?”

  1. Mich hat dieser Arikel schon mal erreicht 😉 Danke für den offenen Umgang mit so viel eigener Erfahrung, sehr schön! Und danke natürlich für caring & sharing!

    Herzliche Grüße

    Wolfgang Ullrich

    1. Lieber Herr Ullrich,

      fein, wenn ich Sie erreicht habe! Offenheit gehört zu meinen Kernkompetenzen 🙂 Ja, und wenn Ihnen noch etwas über den Weg läuft, was preiswürdig wäre – im Sinne von viralem Marketing für die Kultur. Dann freue ich mich über jeden noch so kleinen Hinweis.
      Herzlichst
      Anke von Heyl

  2. Liebe Anke,
    ein schöner Beitrag! Und ich gratuliere zur Einberufung in die Jury!
    Es gibt sie bestimmt, die besagten Perlen der online Kommunikation in der Kulturwelt. Es erstaunt mich aber immer wieder, dass gerade der kreative Kulturbereich anscheint noch immer mit dem „Neuland“ hadert. Anstatt dass Potenzial der sozialen Medien zu sehen und mit neuen Projekten nur so zu protzen und aufzuwarten, so musste ich gerade wirklich scharf nachdenken, welche guten Marketing Aktionen oder Vermittlungsprojekte mir aufgefallen sind. Es gab viele Tweetups, beispielweise #Lustwandeln, #soundpanzer sowie die Kulturblogs, welche beispielsweise zur Bloggerreise nach Basel zur Sonderausstellung «Paul Gauguin» in die Fondation Beyeler eingeladen wurden.
    Die Kunsthalle Hamburg hat 40 Instagramern zur #emptykunsthalleHamburg ihre Türen geöffnet. Und die Kunsthalle Bremen hatte zur MuseumSpiegelSelfie-Mitmachaktion mit der Kunst von ‎Emile Bernard‬ aufgerufen.
    Sehr interessant zu verfolgen, war aber auch das Theaterprojekt „Supernerds – Ein Überwachungsabend“ vom WDR und Schauspiel Köln. Mir gefiel der Ansatz, Theaterinszenierungen interaktiv zu gestalten. Neue Formate auszuprobieren und zu diskutieren – klasse!
    Ich bin gespannt, welche Vorschläge hier noch gemacht werden!
    Viele Grüße aus Hamburg
    Katrin

    1. Liebe Katrin,
      danke für deine Vorschläge. Von denen ich tatsächlich auch das ein oder andere im Blick hatte. Ich bleibe auf jeden Fall auch weiter aufmerksam und mache mir auch Gedanken.
      Ja, das Hadern ist tatsächlich noch immer der Grundtenor. Und eine gewisse Angst vor … tja, was eigentlich. Kontrollverlust? Banalität? Eine Mischung von allem Unguten. Und dann kommt natürlich auch dieses Biest Ressourcenknappheit dazu. Und das war noch nie ein Nährboden für Kreativität. Aber hier und da … auch bei euch in Hamburg … ändert es sich ja gerade. Und das ist super. Es hängt nach wie vor an einzelnen engagierten Personen. Und ich freue mich sehr darüber, dass wir alle so herrlich vernetzt sind!!

      Lieben Gruß von Anke

  3. Liebe Anke,

    herzlichen Glückwunsch für die Nominierung – klasse! Danke auch für die Erwähnung, freut mich sehr.

    Tja, und wenn ich jetzt so überlege, welche Institution ich spannend finde? Fällt mir tatsächlich sehr schwer. Es gibt zwar einige Institutionen, die mir einfielen wegen Ihrer Authentizität, Beharrlichkeit und Experimentierwillen bzgl. der digitalen Kulturvermittlung. Wer in meinen Augen immer Interessantes macht, ist das Joanneum in Graz oder das Historische Museum Bern. Da befinden wir uns aber in Österreich und der Schweiz. Sind diese zugelassen für den „deutschen“ Virenschleuderpreis?

    Sonst schau auf das Stadtmuseum Stuttgart. Tatsächlich fällt mir spontan nichts außergewöhnliches ein. Sollte da noch etwas kommen, melde ich mich bei dir.

    Herzlich,
    Tanja

    1. Liebe Tanja,
      bin ja nicht nominiert 🙂 Sondern freue mich nur darüber, dass ich mit darüber entscheiden kann, wer dann den Preis bekommen wird. Das finde ich extrem aufregend! Und ich fange schon mal an, zu schubsen. Die guten ins Töpfchen sozusagen … Mal sehen, wenn wir alle gemeinsam sammeln, dann kommt da bestimmt was zusammen. Mh, stimmt, über die Frage, ob es auf Deutschland begrenzt ist, hab ich noch gar nicht nachgedacht. Muss ich direkt mal Leander fragen. Vielleicht deutschsprachig?
      Ja, das Stadtmuseum ist schon auch in meinem Radar. Wir suchen aber auch speziell nach ansteckenden Ideen. We’ll see. Ist ja noch ne Weile hin.

      Herzlichste Sommergrüße
      Anke

  4. Liebe Anke,

    schöner Beitrag und auch von mir herzlichen Glückwunsch! In der Jury bist du genau richtig 😉 und da ich dieses Jahr auf der Buchmesse sein werde, kann ich hoffentlich am Event teilnehmen. Tatsächlich würde ich mich Kathrin anschließen und die Bloggerreisen als tolle Projekte im digitalen Bereich vorschlagen wollen. Es ist auf jeden Fall anerkennungswürdig, dass kleinere Häuser wie die Kunsthalle Karlsruhe soviel Aufwand stemmen für die Netzgemeinde.
    Und kurz zu deinem ersten Absatz, tatsächlich habe ich deinen Artikel geteilt bevor ich ihn gelesen habe, aber auch nur, weil ich weiß, dass deine Beiträge immer eine Bereicherung sind. Ich denke an stressigen Tagen machen das viele, normalerweise lese ich die Beiträge aber immer. Wenn nicht am gleichen Tag, dann zumindest noch in der gleichen Woche 🙂
    Ich hoffe Du berichtest bald auch mal über den Ablauf und die Organisation des Preises aus deiner Sicht. Das würde mich ebenfalls interessieren.

    Liebe Grüße
    Michelle

    1. Liebe Michelle,

      Ich freu mich, wenn du mit von der Partie! Und komme sicher auch bei euch vorbei.
      Bin auch sehr gespannt, was such beim VSP tut. Hab Leander auch schon ein oder zwei Ideen rübergeschobdn. Finde es super, wenn diese Idee des Preises über die Buchbranche hinaus schwappt.

      Das mit den Bloggerreisen ust auf jeden Fall ne gute Idee, kompetente Fürsprecher an die Seite zu bekommen. Ind es ist auf heden Fall so, dass man ganz anders auch im Netz miteinander spricht, wenn man sich persönlich kennt!

      Herzliche Grüße
      Anke

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