Theater und Kunstvermittlung


Allgemein, Kulturvermittlung, Methoden / Sonntag, Januar 10th, 2016

Schon seit einer ganzen Weile dreht sich in meinem Kopf der Gedanke über das Theater im Netz. Dabei geht es mir nicht konkret um die Selbstdarstellung der Theater in den sozialen Netzwerken. Das ist auch spannend und ich diskutiere gerne weiter darüber. Mich interessieren aber eher allgemein verschiedene Aspekte des Theatralen, die ich auch für meine eigene Arbeit als Kunstvermittlerin gerne nutze. Deswegen nutze ich den Aufruf zur Blogparade der Kulturfritzen hier gerne zum Verfertigen meiner Gedanken und schreibe über Methoden der Kunstvermittlung, die ihre Inspiration aus dem Theater entnommen haben. Dabei streife ich auch perspektivisch Ideen für Social Media.

Da ist zunächst mal die Inszenierung. Wir gebrauchen diesen Begriff ja nicht nur ganz eng im Sinne einer bestimmten Theateraufführung. Sondern er taucht überall da auf, wo ein bestimmter Einfluss auf die Wahrnehmung gemeint ist. Stichwort: Selbstinszenierung. Es werden Blicke gelenkt, eine Perspektive geleitet. Ich spiele hier sehr gerne mit unterschiedlichen Formaten. Das kann die Zusammenarbeit mit einer Schauspielerin sein, mit der ich ein Rezitationsprogramm im Museum erarbeite. Oder – wie jetzt bald Ende Januar – die Kombination von Kunstbetrachtung und kulinarischen Köstlichkeiten zu einem Erlebnis, das auch einer besonderen Inszenierung folgt.

Einen Schritt weiter und wir sind bei der Dramaturgie. Auch ein ganz wichtiger Aspekt. Höhepunkte schaffen. Einstieg – Ausstieg. Ich schrieb dazu schon einmal etwas im Hinblick auf gute Führungen. Für die museumspädagogische Praxis habe ich dann vor vielen Jahren begonnen, Übungen aus dem Schauspieltraining zu übertragen. Es begann alles mit Projekten, bei denen ich mit Frank Rohde zusammenarbeiten durfte.

Szenisches Interpretieren

Im szenischen Spiel soll die Handlung auf den Bildern erzählt werden. Dabei steht besonders die Gefühlslage der handelnden Figuren im Fokus. Die Bildmotive werden wie Regieanweisungen genutzt. Durch besondere Gesten und stimmliche Modulation wird das Kunstwerk nachvollzogen. Ein Prozess, der auf alle Sinne zielt. Um ein bisschen Material für das Spiel zu haben, lohnt es sich, mit Wortfeldarbeit (Assoziationen um einen Begriff sammeln) zu beginnen. In diesem Falle finde ich ABC-Listen immer ganz praktikabel.

Der zeitliche Rahmen spielt natürlich eine große Rolle beim Nutzen dieser Methode. Auf kurze Einheiten heruntergebrochen, kann man mit Sprech- und Denkblasen arbeiten. Wichtig ist in jedem Falle der Vortrag. Dabei kann dann eine weitere Methode zum Einsatz kommen, mit der ich ebenfalls sehr gerne arbeite: die Rollenbiografie. Dazu gleich mehr.

Auch wenn das jetzt alles sehr analog daherkommt – ich brauche nicht viel Phantasie, um mir diesen Ansatz auch für Facebook-Postings oder Ähnliches vorzustellen. Man hat ein Bild und fordert dann entsprechend dazu auf, dieses in den Kommentaren in Szene zu setzen. Das lässt sich bestimmt schön ausarbeiten im Hinblick auf unterschiedliche Beiträge: Regieanweisungen, Dialoge, Monologe.

Rollenbiografie

Eigentlich ist die Rollenbiografie ja eine Methode, um eine fiktive Figur zu erarbeiten. Man stellt sich viele Details zu der Person vor. Das Alter, die Stimme, der Gang. Welche Hobbies oder Ticks sie haben könnte. Es kann aber auch eine sehr gewinnbringende Methode sein, um sich Porträts zu nähern und Figuren aus anderen Zeiten und Welten an die eigene Wirklichkeit heranzuholen. Ich mag es besonders, dabei auf die Stimme und die Gestik zu fokussieren.

Ein bisschen in diese Richtung gehen auch verschiedene Aktionen auf Instagram oder Tumblr, bei denen man Porträts zum Sprechen bringt. Leider wird da ja immer gleich auch gemutmaßt, man verunglimpfe die Dargestellten. Mag sein, dass hier und da auch ein bisschen Respektlosigkeit im Schwange ist. Aber warum nicht mal auf diese Weise querdenken. Es gibt natürlich die Grenze, wo es dann ins Platte abrutscht. Und das macht dann keine Spaß mehr.

Ich kann mir vorstellen, dass man auch durch verschiedene Anregungen einen gewissen Ehrgeiz erwecken kann, eine Rollenbiografie besonders originell oder auch authentisch auszukleiden.

Papiertheater

Irgendwann besorge ich mir mal ein Kamishibai. Das ist die japanische Form des Papiertheaters und wird meist mit einem eigens für diese Erzählform gefertigten Rahmen vorgetragen. Den kann man sogar selber bauen, wozu ich aber wohl zu ungeschickt bin. Aber egal, das ist nicht das Entscheidende an der Idee des Papiertheaters. Kennt ihr Moritaten? Oder Moritatensänger? Das waren früher Geschichtenerzähler, die über Land zogen und in den Dörfern die Bevölkerung mit ihren Mords-Geschichten in Atem hielten. Der Kern dieser Erzählform waren immer Bilder. Der Vortragende beliebte mit einem Zeigestock auf das Wesentliche hinzuweisen. Nicht, dass es mir jetzt darum geht, dass man Mordtaten rezitierend und besingend um die Häuser ziehen soll 🙂 Aber ich finde die Idee der einzelnen aufeinanderfolgenden Bilder spannend.

Für die Kunstvermittlung nutze ich dieses Prinzip hin und wieder, indem ich auf DIN A 4 Bögen einzelne Bilder für eine Geschichte skizzieren lasse, die dann später vorgetragen werden soll. (Das eignet sich auch hervorragend für Gruppen.) Und jetzt kommt der Twist, der die Kunst vermittelt: das auf dem Kunstwerk dargestellte Geschehen bildet den Mittelpunkt. Man beschäftigt sich auf den anderen Einzelbildern mit der Frage, was vorher und was nachher passieren könnte. Besonders gewinnbringend ist diese Methode übrigens, wenn man sie bei barocken Bildern einsetzt. Denn diese sind ja schon für sich kleine theatralische Inszenierungen.

Transfer

Irgendwas von einer Sachensucherin muss in mir stecken, denn ich schaue ständig links und rechts des Weges, was ich übernehmen und für meine Zwecke der Kunstvermittlung umwidmen kann. So, wie ich mir angucke, was ich aus dem Theaterbereich spannend und für die Vermittlungsarbeit perfekt finde, überlege ich auch, welche analogen Methoden sich für Aktionen im Netz für übertragbar halte. Dabei muss nicht alles gleich gut funktionieren. Im Netz kann man schneller und bildreicher inszenieren. Man hat ja dieses kleine Produktionsbüro in der Manteltasche. Und kann verschiedene Apps nutzen. Ist Snapchat vielleicht etwas, was man wie ein Kamishibai nutzen kann. Ich fühle mich da noch ein bisschen unbeholfen.

Gleichzeitig ist es eine große Herausforderung, auf dieser Bühne authentisch zu agieren und seine Stimme zu finden. Gerade deshalb sind solche theaterpädagogischen Übungen toll, wenn es gelingt, sie zu übertragen.

Vielleicht habt ihr noch Beispiele oder Ideen, welche Aspekte von Inszenierung, Dramaturgie, Geschichten erzählen aus dem Theater einen zweiten Blick lohnen. Für die Verwendung in der Kunstvermittlung. Und im digitalen Raum.

 

 

 

4 Replies to “Theater und Kunstvermittlung”

  1. Liebe Anke,

    eine wirklich tolle Zusammenstellung der verschiedenen Möglichkeiten ein wenig Theater im Museum Einzug erhalten zu lassen – man bekommt richtig Lust darauf, mit diesen Ansätzen zu experimentieren!
    Für unsere nächste Ausstellung #brutalschön haben wir ohnehin eine Art szenisches Interpretieren im Netz geplant, wir sind aber auch sehr gespannt, wie sich Formen theatraler Kunstvermittlung im Digitalen weiter entwickeln werden.

    Herzliche Grüße aus dem Marta

    Tabea

    1. Liebe Tabea,

      das klingt spannend, was ihr vorhabt. Das mit dem Szenischen Interpretieren kann eine tolle Anregungen sein. Und #brutalschön – das hört sich auch nach einer Ausstellung an, bei der man die Besucher zur Interaktion animieren kann. Sagt mal Bescheid, wenn es losgeht.

      Herzlichst
      Anke

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