Ritter, Tod und Teufel

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Albrecht Dürer, Ritter, Tod und Teufel, 1513
Das Landesmuseum in Münster hat eine interessante Idee verwirklicht, auf die Neueinrichtung der Mittelalter-Abteilung des Hauses aufmerksam zu machen: eine Reihe zum Thema „Mittelalter im Film“ weist Bezüge zur Sammlung der Abteilung auf und zeigt die Kunstwerke und kunsthandwerklichen Objekte in einem entsprechenden Setting. Macht sie auf diese Weise sozusagen erlebbar. Dabei werden verschiedene Perspektiven des Themas beleuchtet und die wichtigsten Aspekte der mittelalterlichen Welt aufgezeigt. Die Jenseitsorientierung des mittelalterlichen Denkens, die Weltordnung dieser Epoche und auch literarische Vorbilder kann der Film auf eine besondere Art und Weise vermitteln. Heiligenverehrung spielt eine ebenso große Rolle wie das Klischee Mittelalter = Ritter. So entwickelt ein breit gefächertes Programm von Fritz Lang bis Ingmar Bergmann einen ausführlichen Hintergrund dieses Zeitalters und das Museum bietet dann die Aura der originalen Objekte. Eine perfekte Kombination


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Dienstag, 7. November 2006, 20 Uhr
Das siebente Siegel (Det sjunde inseglet) Schweden, 1956, sw, 96 min, dt. Fassung
Regie: Ingmar Bergman
Im 14. Jahrhundert kehrt der Ritter Antonius Blok mit seinem Knappen Jöns von einem Kreuzzug zurück. Er findet Schweden von der Pest verwüstet; und der Ritter beginnt, an Gott zu zweifeln. Als der Tod ihn holen will, begehrt Blok auf: Erst will er eine Antwort auf seine Frage nach dem Sinn des Lebens. Der Tod gewährt ihm eine Chance: Ein Schachspiel, das er mit dem Ritter spielen will, soll über dessen Schicksal entscheiden. Zwischen den Zügen erlebt der Ritter Tod und Verzweiflung der Menschen; aber er entdeckt auch einen Funken Hoffnung in der Begegnung mit dem einfältigen Gaukler Jof, seiner Frau Mia und ihrem Kind. Als der Ritter sein Schloss erreicht hat, da ist auch die Schachpartie zu Ende. Durch einen Trick hat der Tod gesiegt.Jof und Mia sehen im Morgengrauen, wie der Tod den Ritter, seine Frau und sein Gefolge in einem seltsamen Totentanz mit sich zieht.
Formal gehört „Das siebente Siegel“, eine symbolträchtige Allegorie, zu Bergmans besten Werken. Ohne je seine Eigenständigkeit einzubüßen, hat er sich von Filmen Carl Th. Dreyers, vom expressionistischen deutschen Film und vor allem von Dürers Kupferstich „Ritter, Tod und Teufel“ und dessen Holzschnittfolge zur Offenbarung des Johannes inspirieren lassen und eine Bildsprache geschaffen, in der jedes Bild durch ein spannungsvolles Verhältnis von Licht und Schatten geformt ist. Das Mittelalter ist in realistischen Bildern beschworen, hinter denen aber apokalyptische Visionen lauern. Eine Schenke, der Zug der Flagellanten, die Hexenverbrennung u. a.: weit entfernt von einem Bilderbuch-Realismus ist stets der Geist der Vergangenheit eingefangen.
Buch: Ingmar Bergman, Kamera: Gunnar Fischer, Musik: Erik Nordgren,
Schnitt: Lennart Wallén
Darsteller: Max von Sydow (Antonius Blok), Bengt Ekerot (Tod), Nils Poppe (Jof), Bibi Andersson (Mia), Gunnel Lindblom (Stumme), Gunnar Björnstrand (Jöns)
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Dienstag, 14. November 2006, 20 Uhr
Pasolinis tolldreiste Geschichten (I Racconti di Canterbury / Canterbury
Tales)
Italien/Frankreich, 1971, f, 111 min, dt. Fassung
Regie: Pier Paolo Pasolini
Im zweiten Teil seiner „Trilogie des Lebens“ (nach „Decameron“ und vor „Erotische Geschichten aus 1001 Nacht“) stellt Pier Paolo Pasolini acht (aus insgesamt zweiundzwanzig) Novellen aus dem „Canterbury Tales“ des mittelalterlichen englischen Dichters Geoffrey Chaucer (1340-1400) zu einem Kaleidoskop fröhlicher Frivolitäten zusammen.
Zu Beginn geht der Film von der chaucerschen Erzählsituation aus – Pilger auf der Reise zum heiligen Beckett in Canterbury erzählen sich Geschichten -, verlässt aber bald diese Rahmenhandlung, um hin und wieder einen schreibenden, über seine eigenen Aufzeichnungen lachenden Chaucer – von Pasolini selber gespielt – zwischen die einzelnen Episoden zu schneiden.Erzählt wird z.B. vom alten Sir January, der kurz nach seiner Heirat mit der jungen Mary blind wird, aber von Gott sein Augenlicht rechtzeitig zurückerhält, um das Treiben seiner Frau mit einem jungen Liebhaber zu unterbinden. Oder von zwei Studenten, die den Betrug eines Müllers an ihnen wettmachen, indem sie nachts mit seiner Frau und seiner Tochter schlafen. Oder von drei jungen Rowdies, die auf der Suche nach dem Tod einen Schatz unter einem Baum finden und sich gegenseitig umbringen.
In der Kritik galt – angesichts der früheren gesellschaftskritischen Filme Pasolinis – sein Chaucer-Film, „der unverständlicherweise den Hauptpreis der Berlinale 1972 bekam“ (W. Schütte) als torsohaft und verunglückt. Immerhin aber wurden einige Episoden als bemerkenswert anerkannt: die öffentliche Verbrennung eines Schwulen, von der Kamera beobachtet aus der Perspektive von Zuschauern (wie die Verhandlung vor Pontius Pilatus in „Das erste Evangelium Matthäus“); Ninettos Hommage an den frühen Chaplin; und schließlich am Schluss des Films die drastisch und furios ausgespielte Höllensequenz, die sich deutlich an den visionären Bildern Hieronymus Boschs orientiert.
Buch: Pier Paolo Pasolini, Kamera: Tonino Delli Colli, Musik: Pier Paolo Pasolini, Ennio Morricone, Schnitt: Nino Baragli
Darsteller: Pier Paolo Pasolini (Geoffrey Chaucer), Joséphine Chaplin (May), Hugh Griffith (Sir January), Ninetto Davoli (Peterkin), Laura Betti (Witwe), Franco Citti (Teufel)
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Dienstag, 21. November 2006, 19.30 Uhr
Die Nibelungen – I. Siegfried
Deutschland, 1922/24, sw, 143 min, stumm (mit dt. Zwischentiteln und der
Originalfilmmusik)
Regie: Fritz Lang
Das monumentale Stummfilmwerk von Fritz Lang und Thea von Harbous über das populärste der deutschen mittelalterlichen Heldenepen entstand ab 1922 in zehnmonatiger Drehzeit während der inflationsgeschüttelten Frühphase der Weimarer Republik auf dem Neubabelsberger Gelände. Der mit einem Budget von acht Millionen Reichsmark inszenierte Film wurde bei Publikum und Kritik zum überwältigenden Erfolg.
Im ersten Teil, der im Programm gezeigt wird, kommt der junge Siegfried an den Hof der Burgunderkönige in Worms, wo er als Drachentöter, der durch das Blut des Untiers unverwundbar wurde, um die Gunst Kriemhilds wirbt. Schließlich aber fällt er den Mordintrigen der Königin Brunhilde und des missgünstigen Hagen von Tronje zum Opfer. (Im 2. Teil „Kriemhilds Rache“ heiratet Kriemhild den Hunnenkönig Etzel, der zu ihrem Werkzeug wird, und bereitet systematisch die grausame Vernichtung des Nibelungengeschlechts vor.)
Obwohl als Export- und Prestigeobjekt „deutscher Kultur“ gedacht, schuf Lang kein nationalistisches Heldendenkmal, sondern ein düsteres, konsequent stilisiertes Fresko des sich schicksalhaft vollziehenden Untergangs, in dem nicht Liebe und Treue, sondern Hass und Rache die Triebfedern sind. Im ersten Teil dominieren statuarische Starre und dekoratives Pathos, der zweite wird von ornamentalen Massenszenen, hektischen Bewegungen, barbarischen Gewaltexzessen und überlebensgroßen Todesvisionen geprägt. Stets bleiben die Personen in geometrische Bildkompositionen und architektonische Muster eingebunden, wodurch ein Höchstmaß an optischer Strenge und suggestiver Raumwirkung erzielt wird.
Buch: Thea von Harbou, Kamera: Günther Rittau, Carl Hoffmann, Walter Ruttmann (Falkentraum), Musik (Originalpartitur): Gottfried Huppertz,
Schnitt: Paul Falkenberg
Darsteller: Paul Richter (Siegfried), Margarete Schön (Kriemhild), Hanna Ralph (Brunhild), Rudolf Klein-Rogge (Etzel), Hans Adalbert Schlettow (Hagen), Theodor Loos (Gunther), Gertrud Arnold (Ute)
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Dienstag, 28. November 2006, 20 Uhr
Lancelot, Ritter der Königin (Lancelot du Lac) Frankreich/Italien, 1974, f, 83 min, dt. Fassung
Regie: Robert Bresson
Bressons Film über die Ritter der Tafelrunde „erzählt“ von der schuldhaften, aber bedingungslosen Liebe des Ritters Lancelot zur Königin Geneviève, der Frau König Arturs. Aber anders als z.B. in den Filmen von Richard Thorpe („Ivanhoe“, 1952, und „Knights Of The Round Table“, 1953), die strahlend-heroische Szenen aus dem ritterlichen Mittelalter zeigen, zeigt uns Bresson das Bild einer zum Untergang verurteilten Welt des Rittertums; durch Schuld, durch Zweifel und Selbstzweifel verliert sie ihren Angelpunkt
– Am Ende werden die Ritter konsequenter Weise nicht von ihresgleichen, sondern von versteckten Bogenschützen getötet; sie fallen scheppernd gleichsam auf den Müllhaufen der Geschichte.
Robert Bresson, 1901 in der Auvergne geboren und 1999 in Paris gestorben, machte es seinem Publikum nie leicht. Das meist hervorstechende Charakteristikum aller seiner Arbeiten ist ihre optische Kargheit, ja Askese. Film hat für den Regisseur „kein Spaziergang für das Auge“ (Bresson) zu sein. Film hat sich auf das Notwendigste, die Essenz des Darzustellenden zu beschränken. Diese Grundsätze fanden auch bei der Inszenierung von „Lancelot du Lac“, Bressons zwölftem von insgesamt 14 Filmen, Anwendung:
schattiges Halbdunkel beherrscht die Szenerie, Menschen und Dinge erscheinen in Großaufnahmen, im Anschnitt – eine Ästhetik, die darauf zielt, die Phantasie anzuspornen und über die Bilder des Films hinaus zu denken in eine geistige Dimension, die stets das Thema der Filme Bressons ist.
Bei den Filmfestspielen 1974 in Cannes wurde der Film von der Auswahlkommission des Festivals deswegen noch abgelehnt. Inzwischen aber hat sich das Urteil über Bresson und seinen Filmstil gewandelt. Der Filmkritiker Peter W. Jansen stellte fest: „Es gibt kaum einen Filmemacher, der in ihm nicht das Vorbild schlechthin sehen würde, und kaum jemanden, der nicht irgendwann durch seine imaginäre Schule gegangen wäre“; und sogar die – vor allem dem populären Kino zugewandte – Zeitschrift *DVD special“ bezeichnet „Lancelot du Lac“ als „den ungewöhnlichsten und faszinierendsten aller Mittelalterfilme“.
Buch: Robert Bresson, Kamera: Pasquale de Santis, Musik: Philippe Sarde, Schnitt: Germaine Lamy
Darsteller: Luc Simon (Lancelot), Vladimir Anatolek-Oresek (Artus), Patrick Bernard (Mordred), Humbert Balsan (Gauvain), Laura Condominas
(Königin)
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Dienstag, 5. Dezember 2006, 20 Uhr
Bruder Sonne, Schwester Mond (Brother Sun, Sister Moon) Großbritannien/Italien, 1972, f, 115 min, dt. Fassung
Regie: Franco Zeffirelli
Trotz seiner kenntnisreichen und aufwendigen Milieubeschreibung und der Originalschauplätze ist der Film von Franco Zeffirelli über Franz von Assisi – eine der bedeutendsten und wirkungsvollsten Gestalten des christlichen Mittelalters – keine historische Biographie, sondern eine sehr persönliche, poetische Vision des italienischen Opernregisseurs, der sich auf die Jugendjahre (1200-1210) des Heiligen beschränkt.
Giovanni Bernardone, genannt „Francesco“, wird als Sohn eines reichen Tuchhändlers in Assisi geboren, Im Alter von 18 Jahren wirft ein heftiges Fieber den aus Krieg und Gefangenschaft Heimgekehrten aufs Krankenlager. Während dieser Zeit verwandelt er sich völlig. Er beginnt die Welt mit neuen Augen zu sehen. Seine Ablehnung von Wohlstand und Besitz gefährdet die öffentliche Ordnung, untergräbt die väterliche, kirchliche und gesellschaftliche Autorität. Er sagt sich vom Vater und dessen Welt los und lebt von nun an mit seinen Gefährten, die er in San Damiano um sich sammelt, in gemeinsamer Armut. Zusammen gestalten sie ihr Leben ganz aus dem Geist der Bergpredigt. In Assisi wächst unterdessen wegen der großen Anziehungskraft der neuen Gemeinschaft der Widerstand gegen Franziskus. Die Feinde stecken San Damiano in Brand, ein Mensch wird getötet. Franz macht sich deshalb auf den Weg zum Papst, um von ihm die Anerkennung seiner Gemeinschaft zu erhalten.
Das Franziskus-Bild, das Zeffirelli in seinem Film entwirft, zeigt den Heiligen des 13. Jahrhunderts als Geistesverwandten der „modernen“ Umweltschützer, als gewaltlosen Revolutionär und Konsumverächter, als eine Art „Aussteiger“. Die malerischen Landschaftsaufnahmen und die Musik des in den 70er Jahren sehr bekannten schottischen „Rockpoeten“ Donovan untersteichen diese Charakterisierung aufs deutlichste – und stehen gleichzeitig in einem gewissen Widerspruch zur Schlichtheit echten franziskanischen Geistes.
Buch: Suso Cecchi d’Amico, Lina Wertmüller, Franco Zeffirelli, Kenneth Ross, Kamera: Ennio Guarnieri, Musik: Donovan, Schnitt: Reginald Hills, John Rushton
Darsteller: Graham Faulkner (Francesco), Lee Montague (Francescos Vater), Valentina Cortese (Francescos Mutter), Judi Bowker (Clara), Nicholas Willat (Giocondo), Alec Guinness (Papst Innozenz III.)
LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Domplatz 10, 48143 Münster Tel. 0251/5907-01
Eintritt: 3.- Euro pro Film, Gesamtkarte: 12.- Euro
Dr. Daniel Müller Hofstede
Leiter Kommunikation und Marketing
LWL-Landesmuseum
für Kunst und Kulturgeschichte
Domplatz 10
D-48143 Münster
Tel: 0049 (0)251 5907 – 168
Fax:0049 (0)251 5907 – 167
E-Mail: daniel.muellerhofstede@lwl.org
Web: www.landesmuseum-muenster.de

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