Erinnerungen an Peter Ludwig

Ich war schon fast fertig mit dem Studium. Aber die Gelegenheit, an einer Übung mit dem berühmten Kunstsammler teilzunehmen, ließ ich mir nicht entgehen. In Köln aufgewachsen und schon als Teenager durch das Wallraf-Richartz-Museum streifend, hatte ich hautnah mitbekommen, wie er in den Siebzigern die Moderne nach Köln geholt hatte. Nun stand er mit uns Studierenden im brandneuen Museum am Dom – damals noch als Doppelhaus für die alte und neue Kunst eingerichtet. Er flößte Respekt ein, aber durch einen rheinischen Singsang in der Stimme kam er sympathisch rüber.

Peter Ludwig hatte in die Unternehmerfamilie Monheim eingeheiratet und gehörte zu einem der größten Schokoladenfabrikanten Deutschlands. (Was ich immer interessant gefunden habe:  Schokoladenfabrikant und Kunstmäzen, die Kombi gibt es ja durchaus mehrfach -> Sprengel!!) Als einer der ganz großen Player in der Kunstszene war er durchaus nicht immer unumstritten. Unter anderem wurde natürlich kritisiert, dass er durch seine Kunstgeschenke auch Bedingungen „erpresste“ – so zum Beispiel die Trennung von Wallraf-Richartz-Museum und Museum Ludwig. Das habe ich auch immer bedauert. Aber letztlich brachte es natürlich sehr viel mehr Platz für die Kunst. Und wer wollte das schlecht heißen.

Wirtschaftsbosse als Kunstmäzene haben eine lange Tradition. Aber bei den Ludwigs (die Ehefrau Irene ist gleichermaßen am Aufbau der riesigen Sammlung beteiligt) verhielt es sich anders. Sie sind studierte Kunsthistoriker! Ich weiß nicht, was Peter Ludwig 1946 dazu bewogen haben mag, sich nach einem Jahr Jura dazu zu entschließen, auf Kunstgeschichte umzusatteln. Ich kann mir nur vorstellen, dass es auch an der damaligen Stimmung gelegen haben mag. Die jungen Leute wollten nach Kriegsende an der Gestaltung des neuen Deutschland mitarbeiten. Und nachdem man so lange vom Kontakt zur modernen Kunst abgeschnitten gewesen war, wirkte diese vielleicht als ein Motor für den Neubeginn. Vor diesem Hintergrund verstehe ich allerdings überhaupt nicht, warum sich die Ludwigs in den Achtzigern mit Albert Speer abgaben und sich sogar von ihm porträtieren ließen.

Picasso-Fan

Für mich ist Picasso bis heute einer der größten Künstler überhaupt. Und ich bin jedesmal begeistert über die riesige Sammlung, die wir hier in Köln haben. Das ist das Vermächtnis von Peter Ludwig, der 1950 mit einer Arbeit zum Jahrhundertkünstler promovierte. „Das Menschenbild Picassos als Ausdruck eines generationsmäßig bedingten Lebensgefühls“ – damals durchaus ein sehr avantgardistisches Thema. Die letzte große Schenkung von über 700 Picasso-Arbeiten erfolgte im Jahre 2001 durch die Witwe Irene Ludwig. Damit hat Köln hinter Barcelona und Paris die weltweit größte Picasso-Sammlung! Seit 1986 arbeite ich als Kunstvermittlerin unter anderem für das Museum Ludwig und betrachte es schon als mein kunstgeschichtliches Zuhause. Ich laufe durch die Räume und begrüße manches Kunstwerk wie einen alten Freund. Und immer bleibe ich vor den Picassos stehen. Meine besonderen Lieblinge sind die späten Werke wie die Melonenesser.

China-Kracher

In den Jahren vor seinem Tod 1996 spürte Peter Ludwig auf neuen Gebieten nach spannender Kunst. In einem Spiegel-Interview 1993 sagte er: „Es interessiert uns weiter brennend, was in Mittel- und Osteuropa passiert. Wir wissen auch, daß in Ostasien, vor allem in China, gewaltige Kräfte frei werden und daß es da eine bedeutende Kunst zu entdecken gibt. Ob wir das noch schaffen können, sei dahingestellt. Auf die platte Propaganda- und Exportkunst aus China, die jetzt bei der Biennale in Venedig gezeigt wird, verschwende ich keinen Blick.“

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Pop-Art in Köln

Last but not least muss ich natürlich die Pop Art erwähnen. Die brachte Ludwig in den späten sechziger Jahren nach Europa. Direkt aus den Ateliers von Rauschenberg, Lichtenstein, Warhol und Co. Und hier erinnere ich mich an unsere Übung damals. Wir standen vor einem Bild – ich muss gestehen, ich weiß nicht mehr, welches es war. Es war in der Pop Art Sammlung. Und Peter Ludwig erzählte von seinen Besuchen bei den jungen Pop Art Künstlern und wie wichtig er es damals fand, dass diese Kunst auch in Europa bekannt würde. Mit einem Mal griff er nach der unteren Bildkante, hob das Gemälde etwas von der Wand weg und blickte dahinter. „Ich darf das“, sagte er augenzwinkernd, als er unsere entsetzen Blicke bemerkte. Das hat sich mir so eingebrannt ins Gedächtnis. Vor allem, weil ich immer einen Schutzabstand zur Kunst einhalte, der natürlich auch seinen Grund hat. In diesem Moment war mir klar: der Mäzen hat eine andere Nähe zu den Arbeiten.

Heute wäre Peter Ludwig 90 Jahre alt geworden. Grund genug, sich noch mal zu erinnern.

 

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