Genusskultur ist Kulturgenuss


Ich habe ja schon verschiedentlich  über das Genießens geschrieben. Die Esskultur gehört zu meinen Lieblingsthemen, denen ich als Kunsthistorikerin nachspüre. Angefangen hat das schon mit meiner Magister-Arbeit zu Kaffeehaus-Szenen. Aber ich schweife ab. Heute möchte ich ein paar meiner Lieblingsbücher zur Genusskultur vorstellen. Ich hoffe: als Inspiration für einen erweiterten Kulturgenuss!

Den Anfang mache ich mit „Genießen. Eine Ausschweifung“ von Gero von Randow (Hoffmann und Campe). Auf zweihundertdreiundzwanzig Seiten beschreibt der ZEIT-Redakteur nach eigenen Worten das Genießen „… mit seinen Mitteln und Tricks, Farben und formen, Hintergründen und Abgründen.“ Die Kapitelüberschriften kommen ein wenig sophisticated daher (Die Vorlust | Die Hingabe | Die Sinne | Die Anderen | Das Künstliche | die Moral | Die Heiterkeit | Das Finale) – aber mitunter kann es auch ganz bodenständig werden. Herrlich, wie er über das Butterbrot schwelgt! Genauso gut fließen ihm allerdings auch mehrere Seiten Betrachtungen zum Champagner aus der Feder. Hier liest man sich dann in die Produktkenntnis ein („Die Qualität eines Champagner hängt nicht zuletzt davon ab, welche Aromastoffe bis unter die Nase transportiert werden“). Von Randow garniert seine Auführungen häufig mit literarischen Zitaten – das gefällt mir besonders. Ein Büchlein, das man gerne zur Hand nimmt und dessen Literaturverzeichnis auch noch den ein oder anderen interessanten Hinweis enthält (Schulz, D.: Das Lokal als Bühne. Die Dramaturgie des Genusses. *sofortbestellt*).

Literarische Schätzchen

Jüngst trug ich dieses Fundstück nach Hause: „Kulinarisch Literarisch. Dichter über das Kochen, Backen und Geniessen“ – ein wunderschön illustriertes Bändchen aus dem Jan Thorbecke Verlag. Ich freue mich über das „Kartoffellied“ von Matthias Claudius  („… und sind für Mann und Frau und Kind ein rechtes Magepflaster.“) oder Heinrich Hoffmanns „Brennessel, verkanntes Kräutlein“. („Dein herrlich Grün in bester Form baut Eisen“).

kulinarisch literarisch

Dazu passt eine Entdeckung die ich vor einigen Jahren in dem von mir sehr gemochten Buchladen „BuchGourmet“ gemacht habe (ach, was bin ich da oft mit einer Tasche voller Buchlieblinge raus! Leider musste der Laden schließen! Online kann man dort aber weiter stöbern.). „Rauchfleischlichkeiten & Mockturteltauben – Heinrich Heine für Genießer“ Ein Kunstwerk aus Zitaten Heines und Rezepten der Heriette Davidis (1844) – genial illustriert von der Künstlerin Burgi Kühnemann. Sie wolle mit ihrem Buch „Lust machen, Heinrich Heine mit neuen Augen zu lesen.“ Ich muss jetzt unbedingt „Ideen. Das Buch Le Grand“ lesen. Unbedingt! „Apfeltörtchen waren damals meine Passion; Jetzt ist es Liebe, Wahrheit, Freiheit und Krebssuppe!“

Die Kunst des Kochens

Mein Alltime-Favorit und den Genuss-Büchern ist aber das kulinarische Vermächtnis von Henri Toulouse-Lautrec. Sein Freund Maurice Joyant berichtete über die Kochkunst des berühmten Malers. Ein Buch, das einen in die Zeit des Fin-de-Siècle eintauchen lässt und bei mir massenweise kreative Impulse ausgelöst hat. Natürlich sind die Rezepte für den heutigen Gourmet nicht sofort nachzukochen (Ich sag nur Eichhörnchen). Spannend ist es allemal, dem Künstler in die Töpfe zu gucken. Herrlich die Schilderungen von Toulouses Koch-Inszenierungen, die irgendwie einen surrealen Zauber hatten.  Ich seh ihn vor mir, wie er in seinem Salon zwischen all den wertvollen Möbeln ein Schaukochen veranstaltete. Ein wahres Vergnügen sind die vielen thematisch passenden Illustrationen des Künstlers. Essen und Trinken waren für Toulouse-Lautrec sinnliche Erlebnisse. „Wer des Lebens Genüsse verschmäht, hat des Lebens Deutung nicht erkannt!“

Lautrec_reine_de_joie_(poster)_1892
Wikipedia

Gerade in Zeiten vieler kreativer Foodblogs lohnt es, den Fokus mal auf das riesige Angebot spannender Lesebücher zur Genusskultur zu lenken. Man wird sicher nicht müde, tolle Beispiele aufzuzählen. Ich liebe zum Beispiel auch „Festliche Menüs aus 2000 Jahren. Esskultur und Tafelfreuden vom alten Rom bis heute“ (Christian Verlag). Dort wird endlich mal verraten, was beim letzen Abendmahl auf den Tisch kam! Nämlich Fisch in süßsaurer Sauce, gerollte Lammschulter mit Kräutern und Pinienkernen, Selleriesalat mit gerösteten Haselnüssen und Kompott mit Trockenfrüchen mit Honig! Mjumm!! Die israelische Foodjournalistin Ruth Keenan hat die Bibel auf kulinarische Informationen hin studiert. Ich mag diese Art der Geschichtsvermittlung. Was zu welcher Zeit gegessen und getrunken wurde, erzählt uns viel über diese Zeit?

Habt ihr euch auch schon mal von historischen Rezepten anregen lassen? Genuss und Kultur sind ein schönes Paar und ich freue mich, wenn sich hier beides miteinander verbindet. Ich bin immer auf der Suche nach Futter. Erzählt mir, was eure Lieblingsbücher aus der Küche sind! Oder welche historischen Rezepte ihr gerne mal nachkochen würdet!

 

 

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7 Antworten zu “Genusskultur ist Kulturgenuss”

  1. Ja, liebe Anke. Ich bin auch ein großer Fan des kulinarischen Buches von Toulouse Lautrec. Zu der Zeit hat man wirklich schräge Dinge verspeist, wie Murmeltier und Eichhörnchen, wie Du ja schon sagtest. Gerade merke ich, dass ich unbedingt mal wieder in dieser Art von Bücherecke stöbern muss, denn Du hast Recht, es ist total spannend, wenn man weiß, was zu welcher Zeit kulinarisch angesagt war. Gut, dass Du mich d’rauf gebracht hast. Lieben Dank!
    Die Claudia

  2. Liebe Claudia, wenn du was in deiner Bücherecke gefunden hast, sag mir Bescheid! Ich freue mich immer über neue Inspiration!
    Liebe Grüße
    Anke

    • Ute, wir können uns ja gegenseitig mal Bücher ausleihen. Aber ich bin auch schon wieder mit großen Augen dabei… Überlege schon, mir den Dumas gebraucht zu erwerben!

      • Das können wir sehr gerne machen. Sooo viel habe ich ja gar nicht, aber ich schicke Dir mal eine Auflistung rum. In den Toulouse-Lautrec würde ich ja schon auch mal gerne spinksen.

  3. Schöner Blog, gute Texte. Und eigentlich sollte hier über Kulturvermittlung lesen.

    Aber: mit Gero von Randow ausschweifen, also mit seinem Buch, ist großartig. Und bitte: alle paar Seiten am Crémant nippen! Das Buch müsste Pflichtlektüre für all diejenigen sein, die da meinen, ohne Bulthaup können man kein Spiegelei zubereiten.

    Und dann empfehle ich wärmstens „SHANGHAI STRASSENKÜCHEN – Menschen, ihre Geschich­ten und Rezepte“, das ich hier ganz kurz beschrieben habe: http://schleifblog.de/tag/shanghai-strassenkuechen/ Klasse geschrieben, ebenso fotografiert, und die Rezepte funktionieren. Frau und Kinder sind immer begeistert!

    Viele Grüße
    Norbert

  4. Herzlichen Dank, Norbert,
    köstliche Vorstellung, die von den Bulthaupt-Jüngern und dem Spiegelei!!!
    Interessant finde ich auch der gerade erkennbare Trend zu Street-Food. Da passt das mit den Straßenküchen. Hab mal eben rübergelinst und es klingt wundervoll.

    Viele Grüße von Anke

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