Eva Brandecker kennt die Farben der Sprache

Wer Sprachen beherrscht, dem liegt die Welt zu Füßen. Wie anders ist es doch, sich mit der jeweiligen Landessprache durch neue Gefilde zu bewegen. Das kennt ihr bestimmt. Die Geschichten, wie man dann von den Einheimischen zu einem Gläschen eingeladen wird. Oder dass einem dann ein freundliches Lächeln entgegenstrahlt, wenn man nach dem Weg fragt. Man taucht ein in andere Kulturen, bekommt viel mehr mit und erlebt andere Dinge, als wenn man sich mit Händen und Füßen verständigt.

Mein beruflicher und auch mein persönlicher Weg hat mich nicht nur einmal an eine neue Sprache herangeführt. Und jedes Mal habe ich mich davor gedrückt, mir diese per Sprachkurs oder gar Lernprogramm anzueignen. Ich fand die Situationen, die dort als Sprachanlässe konstruiert wurden, immer sowas von dämlich, dass sich eine innere Sperre aufgebaut hat. Und erst die grammatikalischen Turnübungen. Nein, die fand ich so lebensfern. Sprache hat für mich etwas mit dem prallen Leben zu tun. Mit Liebe, mit Witz, mit Geschichten und Emotionen.

Portrait_Eva

Jetzt habe ich den Popstar unter den Sprachkursen entdeckt. The Grooves – ein tolles Konzept. Das sind Sprachlern-CDs ohne den muffigen Geruch von Schule und Lernen im Labor (kennt ihr noch diese Erfindung, mit denen man in den Siebzigern ganz modern sein wollte). The Grooves hat für mich genau das in den Mittelpunkt gestellt, worum es eigentlich geht: die Menschen und das lebendige Miteinander. Das merkt man schon in den getexteten Dialogen, die alle mit einem kleinen dramaturgischen Spannungsbogen daherkommen. Und vor allem von Profi-Sprechern eingesprochen werden. Das hört sich sofort ganz anders an, als die langweilig geölten Sprachkurse, die man sonst so kennt. Dann gibt es da noch diese toll gemachten Booklets, in denen mit aufwendig produzierten Fotoshootings auf Authentizität gesetzt wird.

 

Eva Brandecker, die Produzentin von The Grovves, verfolgt ein ganzheitliches Konzept. Das wichtigste Transportmittel für den Lerneffekt ist dabei die Musik. Ich hatte unglängst das Glück, bei einem Ausflug nach Düsseldorf, einen Nachmittag mit Eva zu verbringen. Wir haben viel erzählt und dabei auch noch einen Streifzug durch das tolle Stadtviertel Flingern unternommen, in welchem Eva privat und mit ihrer Firma seit über 20 Jahren lebt. (Flingern ist einen eigenen Blogartikel wert! Der Bericht von unserem Spaziergang folgt in Kürze!!). Ich habe dann die Gelegenheit genutzt und ein Interview mit Eva gemacht.

Anke
Eva, mit deiner Firma Brandecker Medien produzierst du Audiomaterialien zum Sprachenlernen. The Grooves ist ein ganz besonderes Konzept. Welche drei Stichworte fallen dir ein, wenn du es in aller Kürze beschreiben solltest?

Eva
In drei Stichworten ist das ganz schön schwierig, da es ja verschiedene Facetten gibt, am ehesten vielleicht: Lustvolles Lernen, freche Verpackung, positive Emotionen mit mehreren Sinnen
ansprechen…
 
Anke
Du arbeitest sehr akribisch an den Klangwelten zu den jeweiligen Lernprogrammen. Der Ohrwurmeffekt ist ein wichtiges Element dabei. Da passiert ja etwas im Kopf des Hörers. Beschäftigst du dich auch mit aktueller Hirnforschung?

Eva
Als ich mit den ersten CDs begonnen habe, war ich von dem Grundkonzept so begeistert, dass ich dem erst einmal nicht besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet habe. Es schien so überzeugend und ich muss sagen, es war einfach „gefühltes Wissen“, dass das eine gute Methode sein muss. Außerdem wollte ich nicht ein bombastisches halbwissenschaftliches Beiwerk präsentieren, da ist man dann auch schnell angreifbar, wenn etwas nicht akribisch durch Studien belegt ist.

Aber natürlich habe ich dann sehr viel darüber gelesen und stürze mich auch heute noch auf jeden Artikel, der einen „Aha-Effekt“ für mich bietet. Diese Infos verlinke ich dann auf meiner Website.

Sobald man über den Zusammenhang zwischen Sprache und Musik nachdenkt, fallen einem zig Sachen ein: Kinder die ellenlange Reime oder Songs locker auswendig lernen, gregorianische Gesänge, Minnelieder, die Songlines der Aborigines, Opernsänger, die sich ganze Partituren auf Russisch raufschaffen, ohne ein Wort davon zu verstehen bis hin zu dem allseits bekannten Phänomen, dass man oft sofort die ersten Zeilen eines Songs im Kopf hat, sobald man die ersten Takte hört. Für das alles muss es ja zwangsläufig eine wissenschaftliche Begründung geben.

Dass jegliches Lernen mit guter Stimmung und ein paar mehr Glücksmolekülen im Kopf einfach besser funktioniert, das ist ja gerade in den letzten Jahren immer wieder Thema. Hirnforscher wie Spitzer oder Hüther befassen sich schon länger damit – interessant ist auch dass Demenzkranke oder Aphasiepatienten über den Trigger der Musik zugänglich sind und sich Verbindungen zum Sprachzentrum im Hirn wieder reparieren lassen (bei letzteren). Das finde ich ziemlich spannend und würde gerne mehr darüber wissen und vielleicht sogar Produkte dafür entwickeln.

Aber überzeugender als jedes Forschungsergebnis ist für mich nach wie vor der Effekt, den ich beobachte, wenn sich jemand z. B. an unserem Messestand den Kopfhörer aufsetzt: kurzes Stutzen, dann Wippen mit dem Fuß, Lächeln. Das ist einfach schön.

Anke
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Mir ging es beim Hören eurer Produktion genauso. Übrigens: meine Lieblings-CD ist die zum Bayrisch lernen. Mit Local Grooves hast du den Trend zur Heimatliebe aufgegriffen. Geht es dabei auch um das Erlebnis der Region, einer Kulturlandschaft?

Eva
Ja, natürlich. Das ist vor allem die Kulturlandschaft, die innen in den Menschen ist, liebenswerte oder auch schrullige Eigenschaften aus der Region, die sich sprachlich ausdrücken. Das können auch Klischees sein, die wir liebenswert auf die Schippe nehmen. Da man auf einer CD nicht so wahnsinnig viel unterbringen kann, haben wir uns ein bißchen auf Metropolen fokussiert, also der Wachtveitl z.B. grantelt auf dem Oktoberfest herum, geht über den Viktualienmarkt, usw. Beim Wienerischen darf natürlich der Zentralfriedhof nicht fehlen, auf dem bei einem Spaziergang sämtliche Todesarten durchdekliniert werden. Auch die Sprecher haben sich sehr stark eingebracht und es war für alle Beteiligten ein Riesenspaß das zu produzieren. Ich möchte erreichen, dass beim Hörer ein Film abläuft und da ist die Musik natürlich ganz toll als Katalysator.

KŸchenleiste

Anke
Lernen. Das Stichwort erzeugt ja bei den meisten Menschen schlechte Erinnerungen an ihre Schulzeit. Was können erlebnisorientierte Projekte vielleicht auch in der Schule erreichen und wie könnte deiner Meinung nach die Zukunft des Lernens gestaltet sein?

Eva
Es wäre sehr schön, wenn das mehr Platz in den Schulen einnehmen könnte, das war ja auch ein Grund für die Produktion dieser Sprachlernmaterialien. Teilweise wird ja auch schon einiges gemacht, es kommt immer darauf an, wie engagiert die Lehrer sind und wie offen die Schule ist. Ich finde ein Lehrer ist ein bißchen auch ein Seelsorger und es ist etwas ganz Großes, wenn ich als Pädagoge es schaffe, ein Lernangebot zu machen, das beim Schüler positive Gefühle auslöst. (Wir alle erinnern uns bestimmt auch an solche Sternstunden.) Dafür muss ich aber in die Erlebniswelt des Schülers gehen und Gemeinsames finden, was begeistern kann. Es gibt ja heute eine Fülle von Möglichkeiten, die man nutzen kann, eigentlich eine fantastische Spielwiese. Die Technik wird immer einfacher zu bedienen, YouTube-Filme, Podcasts, Blogs, Animationen, Video-Spiele, das alles lässt sich für die teils drögen Inhalte nutzen. Dann liest man in den Medien über solche tollen Unterrichtsprojekte, aber was passiert flächendeckend? Leider geht das alles sehr, sehr langsam. Zu langsam, denn ein Schülerleben ist schnell vorbei. Ich glaube, die Vorstellung, dass Lernen irgendwie „weh tun muss“ steckt noch immer in den Köpfen 😉 Für die Zukunft des Lernens wäre, glaube ich, ein guter Ansatz weniger hierarchisch und zweckmäßig zu denken. Ein Lernprozeß, bei dem alle lernen, sowohl Lehrer, als auch Schüler und bei dem am Ende nicht nur das Ergebnis zählt, sondern der Weg. Dann könnte Lernen am Ende wieder ein Geschenk und eine Entdeckungsreise werden, so wie bei einem kleinen Kind.

Anke
Eine sehr schöne Vorstellung: Lernen als Geschenk. Ja, diese Sicht würde viel verändern! Entdeckungsreise ist ein gutes Stichwort. Welches Projekt möchtest du in nächster Zeit gerne umsetzen? Oder anders gefragt: welche Sprache sollte man unbedingt noch lernen?

Eva
Ich werde oft gefragt, ob es The Grooves auch zum Deutschlernen gibt, das möchte ich gerne umsetzen, wobei es aus der Innensicht gar nicht so einfach ist, sich die passenden Zutaten zu überlegen. Welche Musik, welches Cover … auf jeden Fall eine schöne Herausforderung unsere Sprache und Kultur für Besucher schmackhaft und sympathisch zu machen.
Welche Sprache? Ernsthaft: Englisch und Spanisch scheinen die Dauerbrenner zu sein, aber … wo gehst du heute abend essen? In Köln, in Italien, in Thailand … ?

Anke
Danke dir, liebe Eva für dieses spannende Gespräch, bei dem mir auch wieder klar geworden ist, wie wichtig der kreative Funken auch und vor allem für die Wissensvermittlung ist. Zum Schluss bekommst du nun – wie alle unsere Interviewten – unsere 11punkt Fragen. (Und irgendwie war es klar, dass Eva das kosmopolitisch beantworten würde 🙂 )

1.    Meine Lieblingsecke tagsüber ist…  mein Garten oder wahlweise vor dem viereckigen Weltempfänger namens Rechner.
2.    Meine Lieblingsecke nachts ist… der Johannes-Rau-Platz am Rhein beim Tango tanzen.
3.    Die Stadt ist am Schönsten im… Sommer.
4.    Einen Spaziergang mache ich immer gerne in… Wien.
5.    Zum Entspannen bin ich gerne in… der Sauna.
6.    Mein Lieblingsgebäude ist… in Düsseldorf das K21 .
7.    Mein Lieblingskulturort ist… die Installation The Lightning Field von Walter De Maria in New Mexico.
8.    Mein Geheimtipp ist… die Tapas-Bar Cal Pep in Barcelona.
9.    Ich sitze gerne ein paar Minuten in… der New Yorker U-Bahn und sehe mir die Menschen an, aber da das so weit weg ist, ist im Liegestuhl liegen und den Mauerseglern zuschauen eine schöne Alternative.

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