Black Market in Town


Ich habe seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und der Qualm der vielen Zigaretten um mich herum beißt mir ziemlich in den Augen. Jetzt fängt es auch noch an, durch das marode Dach zu regnen. Aber trotzdem blicke ich fasziniert auf das Geschehen vor mir im weiten Saal der Orangerie. Dort spielt sich seit gut einer Stunde ein Schauspiel der besonderen Art ab, welches mich immer tiefer in seinen Bann zieht.
„Black Market in Town“ bezeichnet sich selber als ein 25 Jahre währendes Experiment schwebender Kommunikation und lieferte mit seinem Kölner Auftritt von insgesamt 13 Künstlern und Künstlerinnen aus 9 Staaten einen weiteren Beweis, warum dieses Arrangement so lange schon begeistert.
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Da scheint einer den roten Lebensfaden zu spinnen, wie es schon die antiken Nornen vorgemacht haben. In einer Ecke sitzt Väterchen Frost und wird im Verlaufe der Performance unter einem Blätterhaufen verschwinden. Die Rabenfrau glotzt bewegungslos auf das schwarze Federvieh auf rotem Samt – bis sie unvermittelt in ein krächzendes Lachen ausbricht. Ein ständig sich Waschender wirkt zwanghaft religiös und segnet später sogar seine Mitspieler. Der Räucherer wandelt durch die einzelnen Bilder und verbindet sie mit zunächst mit seinem Rauch, dann mit murmelnder raunender Stimme durchs Mikrofon.
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Überhaupt spielen Geräusche eine wichtige Rolle in dieser insgesamt vier Stunden dauernden Performance. Oftmals steigt man als Zuschauer/Zuhörer erst über die gezielten Wiederholungen in die Soundcollage ein. So, wie bei der quietschenden Tür, bei der man erst nach einer Weile erkennt, dass sie dem Pfeifen einer Künstlerin antwortet. Mit den unterschiedlichsten Gegenständen wird diese Sound-Collage immer weiter ausgedehnt. Da gibt es Wedeln, Rascheln, Steine rücken und sogar das kölsche Trömmelsche scheint seinen Part zu spielen. Witzig ist der Klebebandtyp, der schräge Töne hervorbringt und dessen Auftritt einen sarkastisch-witzigen Höhepunkt im wahrsten Sinne des Wortes erreicht, als er der jungen Wilden kleine Plastikhütchen aufklebt und diese durch rhythmisches Drücken zu einem Beischlaf-Quietschen bringt.
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Es fällt eine gewisse Langsamkeit der Performer auf, die dazu führt, dass die Gedankenbilder genügend Zeit haben, sich zu entfalten. Dennoch passiert in den verschiedenen Ecken des Raumes immer etwas Neues, so dass man nie Gefahr läuft, sich an einem Bild satt zu sehen.
Die Bilder entstehen zwischen Naturmaterialien und Plastikkitsch, nehmen gewöhnliche wie schrille Verhaltensweisen gleichermaßen in den Blick und verweben sie über Stunden zu einem wahrhaft großen Kino! Es schwingt zwischen autistischen Aktionen und gezielt mit dem Publikum spielenden. Die Stimmung schwankt von zen-buddhistischer Ruhe bis zu aggressiver Hektik. Alles auch immer mit entsprechender Geräuschkulisse und choreographischer Genauigkeit.
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Als man vor 25 Jahren mit dem Prinzip BMI begann, sollte trotz der gemeinsamen Aktionen der einzelne Künstler jeweils für sich stehen. Kein Regisseur, kein Drehbuch sollte die Authentizität der Begegnungen und die in ihr enthaltenen Möglichkeiten lenken. Man war der Ansicht, dass es nur so gelingen könne, vorsprachliche Bilder zu schaffen, die auf diese Weise auch eine überzeitliche Gültigkeit entwickeln können. „Das Leben ist Kunst genug“ ist die Auffassung des Kölner Künstlers Boris Nieslony, der 1985 das Projekt Black Market in Town mit aus der Taufe gehoben hat. Er beschäftigt sich auch seit Jahren intensiv mit den theoretischen Grundlagen der Performance und hat hierzu unter anderem auch schon mehrere Konferenzen organisiert.
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Ein Wort noch zum Ort der Performance, der kaum hätte besser sein können. Die Orangerie wird seit 2000 als Theater genutzt und mit einem Verein kämpfen engagierte Bürger seit längerem dafür, das 1980 unter Denkmalschutz gestellte Gebäude-Ensemble dauerhaft einer kulturellen Nutzung zuzuführen. Trotz offensichtlicher Vorteile von Lage und Atmosphäre des Komplexes ist auch dieses Unterfangen ein kräftezehrender Kampf um Unterstützung. Auch wenn man das Gefühl hatte, dass die Regentropfen, die durch das Dach kamen, irgendwie zur Performance dazu gehörten: es wäre schön, wenn dieser Schatz am Volksgarten endlich gehoben werden könnte.

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